Trend Report Milch
Immer mehr Menschen wollen bewusster konsumieren. Ansprüche an Tierwohl, ökologische Standards und Transparenz wachsen. Die Milchwirtschaft passt sich den wandelnden Bedürfnissen an – und setzt auch eigene Impulse. Der Trend Report Milch zeigt, wie facettenreich nachhaltige Milchproduktion ist.
Nachhaltigkeit ist mehr als „nur“ ein Trend. Es ist ein umfassendes Konzept und Handlungsprinzip, das unsere Gesellschaft mitprägt. Im Kern geht es darum, schonend mit endlichen Ressourcen umzugehen. Es soll nicht mehr verbraucht werden, als nachwachsen kann, sodass die nachfolgende Generation sinnvoll mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen wirtschaften kann. Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte spielen hier eine Rolle – die sogenannten drei Säulen der Nachhaltigkeit. In der Landwirtschaft gibt es sogar vier, denn dort findet auch das Tierwohl Berücksichtigung.
Lebensmittel sollen nicht mehr nur satt machen, angemessene Preise haben und schmecken, sondern auch die eigenen Ansprüche an Nachhaltigkeit erfüllen. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Produktauswahl der Verbraucher:innen – und sorgt auch bei der Milch für Bewegung! The Future:Project, ein Team aus Zukunftsforschenden um Tristan Horx, hat sich das genauer angeschaut.
Transparenz, Planetary Health, Zero Waste – im Rahmen eines Trend Reports hat The Future:Project untersucht, welche Trends und Innovationen rund um Nachhaltigkeit den Milchkonsum prägen und welche Chancen und Herausforderungen sich daraus für die Branche ergeben.
Im Zentrum des Wandels stehen jene kritischen Verbraucher:innen, die mit ihrem Einkauf nachhaltige Entwicklungen fördern wollen. In diesem Zuge gewinnt das Konzept der Planetary Health an Relevanz, das die Gesundheit von Menschen mit der unseres Planeten verbindet. Die Idee dahinter: Menschliches Wohlbefinden lässt sich langfristig nur durch den Schutz natürlicher Ressourcen sichern.
Planetary Health wird die Ernährung der Zukunft immer stärker beeinflussen.
Trend Report Milch
Dazu passend hat die EAT-Lancet-Kommission die Planetary Health Diet entwickelt. Das ambitionierte Ziel: Alle Menschen auf der Welt gesund ernähren und die Umwelt schützen. In diesem Modell ist die Ernährungspyramide der Zukunft pflanzenbetont und wird durch tierische Produkte ergänzt. Bevorzugt werden alle Lebensmittel, die regional und saisonal verfügbar sind.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bezieht in ihren aktuellen Empfehlungen zu einer gesunden Ernährung Umweltaspekte mit ein. Sowohl in der Planetary Health Diet als auch in den Empfehlungen der DGE haben Milch und Milchprodukten ihren festen Platz. Sie ergänzen mit Protein, Kalzium, Jod, Vitamin B12 und Vitamin B2 sowie wertvollen Milchsäurekulturen die pflanzenbetonte Ernährung.1
Welche Nährstoffe in Milch enthalten sind und was sie bewirken, erfahrt ihr in unserem Artikel „Wie gesund ist Milch?“
Mit dem ökologischen Bewusstsein wird Transparenz immer wichtiger. Verbraucher:innen wollen wissen, woher die Lebensmittel kommen, die sie einkaufen, und unter welchen Umständen sie erzeugt werden. Labels und Kennzeichnungen können hier eine Orientierung während des Einkaufs bieten. Der Lebensmitteleinzelhandel hat gemeinsam mit der Initiative Tierwohl Haltungsform-Label eingeführt, die u. a. über Haltungsbedingungen von Kühen informieren. Mehr dazu findet ihr in unserem Artikel „Mehr Transparenz für die Milchkuhhaltung“.
Außerdem entwickelt die Milchbranche Tools permanent weiter, mit denen die Emissionen von CO2-Äquivalenten entlang der gesamten Wertschöpfungskette berechnet werden können. Doch die Erstellung des ökologischen Fußabdrucks ist komplex! Schon beim Betrieb geht’s los: Jeder Hof wirtschaftet mit individuellen und für die Region spezifischen Bedingungen.
Der Wunsch nach Transparenz diffundiert derzeit von der Nische in den Mainstream.
Trend Report Milch
Mehr Transparenz ist auch im Sinne der Milchbranche, die in den vergangenen Jahrzehnten viel in Bewegung gebracht hat. Viele Verbraucher:innen haben kein konkretes Bild darüber, wie moderne Landwirtschaft in eine nachhaltige, verantwortungsvolle Milcherzeugung investiert. Programme wie das QM Nachhaltigkeits-Modul wollen das ändern. Mehr als 14.000 Betriebe tragen dort nachhaltigkeitsrelevante Daten zu einzelnen Betriebsabläufen ein.
Der Effekt: Entwicklungen und Erfolge können sichtbar gemacht und gegenüber den Verbraucher:innen kommuniziert werden. Diesen Weg wird die Branche fortsetzen, um die Wertschätzung gegenüber der Milch zu erhalten. Damit ist auch die Hoffnung verbunden, dass informierte Verbraucher:innen eher geneigt sein könnten, höhere Preise für ein qualitativ hochwertiges und nachhaltiges Produkt zu zahlen.
Durch das steigende Umweltbewusstsein steigt auch die Wertschätzung für nachhaltige Milchwirtschaft – und die Bereitschaft, höhere Preise zu bezahlen.
Trend Report Milch
Die Transformation der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit kommt den Bedürfnissen der Konsument:innen entgegen. Den Akteur:innen der Branche ist selbst daran gelegen, Emissionen zu reduzieren und für mehr Tierwohl zu sorgen. Wie das aussehen kann, zeigen auch Landwirt:innen bei Let’s do Zukunft.
Aus diesem Antrieb heraus entstehen Innovationen, die etwa um die Vermeidung von Abfall kreisen. Gerade Molke, ein Nebenprodukt der Milcherzeugung, birgt eine Menge Potenzial. Sie entsteht, wenn Milch gerinnt und die festen Bestandteile (Käsebruch) von der flüssigen Phase (Molke) getrennt werden. Einst ein unwichtiges Nebenerzeugnis, werden der Molke heute Superfood-Qualitäten zugesprochen. Spannende Food-Innovationen sind bereits rund um das Produkt entstanden.
Ein Nachhaltigkeitstrend, der laut Trend Report ebenfalls Chancen für die Milchbranche birgt: Immer mehr Menschen wird der wirtschaftliche und kulturelle Nutzen von intakten Ökosystemen bewusst. Denn Tiere und Pflanzen sind die Hidden Player unserer Wirtschaft: Sie bereiten Trinkwasser auf, reinigen die Luft, stellen Sauerstoff her und bestäuben Pflanzen, von denen wir uns ernähren.
Kühe können verwerten, was für Menschen unverdaulich ist. Neben Gras & Co. sind das auch Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion. So entsteht weniger Foodwaste und die Nährstoffe aus den Pflanzenteilen gelangen als natürlicher Dünger zurück auf den Acker.
Die Milchviehhaltung spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung von Kulturlandschaften. Je nach Ausgestaltung kann sie die regionale Artenvielfalt fördern und Grünflächen pflegen, die große Mengen CO2 binden. Eine kürzlich im Fachjournal „Science“ publizierte Studie zeigt, dass biodiverse Landwirtschaft nicht nur der Natur nutzt, sondern auch die Ernährungssicherheit fördert und Agrarbetrieben den wirtschaftlichen Ertrag sichern kann.
Noch werden diese „Nebeneffekte“ der Landwirtschaft häufig nicht bekannt. Doch mit der wachsenden Präsenz von Biodiversität im gesellschaftlichen Diskurs könnte sich das bald ändern. So könnte schon bald der Handel mit Biodiversitäts-Zertifikaten an Relevanz gewinnen. Sie bilden ein Äquivalent zu CO2-Zertifikaten: Kunden kaufen die Zertifikate, die wiederum Unternehmen die Umsetzung von Naturschutzprojekten finanzieren. Auf diese Weise können Landwirt:innen bezahlt werden, die einen Beitrag zum Erhalt des Ökosystems leisten.
1 DGE-Ernährungskreis 2024
2 Rasmussen, Laura Vang et al. (2024): Joint environmental and social benefits from diversified agriculture. Science, Vol. 384, Issue 6691. In: science.org, 4.4.2024