Gewusst, dass ... ?
Emissionsmanagement-Systeme bieten eine Plattform, auf der alle Akteur:innen entlang der Wertschöpfungskette ihre Emissionsdaten eintragen können. Was daraus entstehen kann? Ein nahezu vollständiger CO2-Fußabdruck der Milch – und eine Milchwirtschaft, die noch näher zusammenrückt für ein Ziel: mehr Nachhaltigkeit!
Klimaschutz ist komplex: Gerade in der Landwirtschaft ist es gar nicht so einfach, einen Überblick über die verschiedenen Emissionsquellen zu erhalten. Was hinzukommt: Vom Allgäu bis zur Ostsee – jeder Milchhof ist individuell und wirtschaftet unter besonderen regionalen Bedingungen. Klimaschutz nach Schema F deckt sich daher nicht mit der landwirtschaftlichen Praxis.
Daher ist es wichtig, das Thema Klimaschutz so greifbar und handhabbar wie möglich zu gestalten. Es sollte sich gut in den Arbeitsalltag der Landwirt:innen integrieren lassen. Höfe, Molkereien, Forschung und Start-ups haben sich daher gemeinsam auf den Weg gemacht, um Lösungen zu entwickeln und neue Konzepte zu erproben.
Eine dieser Lösungen sind sogenannte Emissionsmanagement-Systeme, die vermehrt in der Milchproduktion Anwendung finden. Das Besondere: Erstmals ist es möglich, die bei der Milcherzeugung entstehenden Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette abzubilden! Das ist wichtig, um ein nahezu vollständiges Bild über die Klimawirkung eines Produkts wie der Milch zu erhalten.
Die Reise der Milch beginnt auf dem Milchhof, wo die Kühe gemolken werden. Die gewonnene Rohmilch wird zu Molkereien transportiert, wo sie pasteurisiert und zu Trinkmilch, Käse, Joghurt oder anderen Milchprodukten verarbeitet und verpackt wird. Von dort aus geht es weiter zum Großhandel, in die Einzelhandelsgeschäfte und schließlich in die Haushalte der Verbraucher:innen.
Die Wertschöpfungskette dahinter setzt allerdings früher an. Dazu gehört zum Beispiel das Futter für die Kühe. Es muss angebaut und geerntet werden. Das geschieht zu einem großen Teil lokal, auf Wiesen und Feldern in unmittelbarer Nähe zu Hof und Stall. Der Rest wird angeliefert. Anbau, Ernte, Transport – all das verursacht CO2e-Emissionen noch bevor der erste Tropfen Milch gewonnen wurde. Neben Kohlendioxid (CO2) sind damit Äquivalente (e) wie Methan und Lachgas gemeint. Solche „indirekten Emissionen“ sind schwierig zu messen, da Milchhöfe diese nicht direkt beeinflussen können. Doch für eine vollständige Umweltbilanz ist es unverzichtbar, auch sie in die Kalkulation mit einzubeziehen.
Und hier schlägt die Stunde von Emissionsmanagement-Systemen: Sie haben das Potenzial, auch solche unsichtbaren Emissionen für den Milchbetrieb sichtbar zu machen! Futtermittelhersteller, Saatgutunternehmen oder Energieversorger haben die Möglichkeit, auch ihre Emissionswerte in die Plattform einzutragen und sie mit allen weiteren Akteuren der Milcherzeugung teilen. Das schafft maximale Transparenz, die wiederum der Startschuss für eine noch engere Zusammenarbeit sein kann. Sie kann außerdem dafür sorgen, neue, nachhaltige Praktiken zu etablieren. Landwirt:innen können beispielsweise auf alternative Futtermittel umsteigen, die weniger Transportemissionen verursachen oder mit weniger energieintensiven Anbaumethoden produziert werden. So geht datenbasierter Klimaschutz!
Wir haben einen Hof im baden-württembergischen Allgäu besucht, um uns selbst ein Bild von einem solchen Tool zu machen. Was heraussticht, ist das nutzerfreundliche Interface. Frage für Frage wird die Landwirtin durch den Prozess geleitet. Ihre Antworten liefern die nötigen Informationen für die anschließende Erstellung des CO2e-Fußabdrucks ihres Betriebs. Das dauert nicht mehr als eine Stunde.
In Zukunft soll das sogar noch schneller gehen – und ganz ohne menschliches Zutun! Auf dem Hof im Allgäu gibt es beispielsweise zwei Melkroboter, die laufend Daten erheben und diese an das Endgerät der Landwirtin – Smartphone oder Arbeits-PC – schicken. Das passiert ganz automatisch über eine Schnittstelle. Es sind bereits weitere Schnittstellen in Arbeit, über die auch das Emissionsmanagement-System direkt auf diese Informationen zugreifen kann.
Aus den Antworten und zur Verfügung gestellten Informationen ermittelt das System schließlich den CO2e-Fußabdruck pro Kilogramm Milch. Doch wie wertet das Tool eigentlich die Daten des Betriebs aus? Dafür nutzt es Kalkulationswerte und Modelle, die von Klima-Rechnern wie beispielsweise dem LfL Klima-Check der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft eingespeist werden.
Die Arbeit im Klimaschutz geht weiter. Und auch die Entwicklung solcher Bilanzierungs-Tools ist längst nicht abgeschlossen: Aktuell arbeitet die Forschung beispielsweise daran, wie zukünftige Einspareffekte abgebildet werden können. Gibt unsere Landwirtin aus dem Allgäu zum Beispiel eine Änderung bei der Futterzusammenstellung an, soll das Tool anzeigen können, wie viele Emissionen mit dieser Maßnahme in Zukunft eingespart werden können.
Doch die Darstellung von Einspareffekten birgt auch Schwierigkeiten. Klima-Rechner nutzen dafür Simulationen, die unter anderem auf Emissionsfaktoren basieren. Solche Emissionsfaktoren bestimmen, wie viel CO2 oder andere Treibhausgase mit einer bestimmten Aktivität oder einem bestimmten Produkt verbunden sind. Allerdings können sie je nach Region, Klima, Technologie und Praxis variieren und es gibt verschiedene Methoden für ihre Berechnung.
Unser Milchhof im Allgäu arbeitet zum Beispiel mit idealen Bedingungen. Hier herrscht ein gemäßigtes Klima, Gras und Ackerpflanzen wachsen auf fruchtbaren Böden. Das wirkt sich in mehrfacher Hinsicht günstig auf die Emissionen eines Betriebs aus. Fruchtbare, feuchte Böden sind besser in der Lage, CO2 oder Lachgas zu binden. Sie sind außerdem Grundlage für hochwertiges, nährstoffreiches Futter für die Kühe. Das heißt, es muss weniger Kraftfutter von außerhalb angeliefert werden, da Gras & Co. bereits genug Energie für die Kühe liefern. Emissionsfaktoren müssen also auch diese natürlichen Voraussetzungen mit einpreisen, um eine adäquate Ökobilanzierung zu ermöglichen.
Und damit schließt sich der Kreis: Klimaschutz ist komplex! Und die damit verbundenen Herausforderungen können nur im Team gemeistert werden. Einen wichtigen Beitrag leisten Emissionsmanagement-Systeme, indem sie der Branche ein präzises Bild vom Status quo verschaffen und die Basis für nachhaltiges Handeln in der Zukunft legen.