Let's do Zukunft vor Ort
Tjark ist geborener Landwirt. Etwas anderes kam ihm nie in den Sinn. Auf seinem Betrieb, den er gemeinsam mit Vater Henrik führt, gibt er sein Wissen an die Azubis weiter. Denn auch in moderner Landwirtschaft wird bewährtes Wissen an nachfolgende Generationen weitergegeben.
Seit 1877 ist der Hof von Tjark in Familienbesitz und wurde permanent zukunftsorientiert erweitert: Allein in den vergangenen 15 Jahren haben sie unter anderem den Stall zu einem Boxenlaufstall mit Außenklima umgebaut, in einen modernen Melkstand investiert und einen Anschieberoboter angeschafft, der emissionsärmer mit Strom statt mit Diesel läuft.
Im Mai dieses Jahres hat der junge Landwirt die Leitung offiziell übernommen. Doch ein harter Schnitt ist das nicht. Als Miteigentümer steht ihm sein Vater Henrik mit all seiner Erfahrung zur Seite. Schwester Lina hilft neben ihrem Vollzeitstudium ebenfalls tatkräftig mit. Und ohne Mutter Katja wären ohnehin Hopfen und Malz verloren.
Lina, Katja, Henrik und Tjark packen gemeinsam für die Zukunft an.
Eltern und Sohn verstehen den Betrieb als ein „modernes Familienunternehmen“, bei dem sich jede:r einbringt: Tjark ist hauptverantwortlich für den Ackerbau, Vater Henrik sorgt sich um die Kühe und Mutter Katja führt Buch – wenn sie nicht auch bei den Kühen hilft oder Führungen für Kindergarten- oder Schulgruppen gibt. Auch Lina ist täglich auf dem Hof, während sie dual studiert und auf einem anderen Betrieb arbeitet.
Jeder hat sein Aufgabengebiet, doch jeder nimmt auch den Rat des anderen an. Und für den muss man nicht weit gehen! Die Felder und Wiesen, die zum Betrieb gehören, sind keine zwei Kilometer entfernt. Arrondierte Fläche wird das im Fachjargon genannt. Entsprechend kurz sind die Distanzen, die die einzelnen Familienmitglieder wie auch die dort arbeitenden Azubis und Helfer:innen mit dem Traktor zurücklegen müssen. Das spart Zeit, Diesel und Geld – und ist gut fürs Klima. Darüber hinaus sind das natürlich ideale Bedingungen, um einfach mal etwas „Auszuschnacken“, wie Vater Henrik das nennt.
Ausgeschnackt wird zum Beispiel die Zusammensetzung des Futters. Das bauen Tjark und seine Familie zum großen Teil selbst an. Um bedarfsgerecht zu produzieren, kommt außerdem zwei Mal im Monat der „Ernährungsberater für die Kühe“ vorbei. So nennt Mutter Katja den Experten, der dafür sorgt, dass der Futtertisch ratzekahl und die Kühe trotzdem satt und glücklich sind. In der modernen Landwirtschaft ist das Futtermanagement einer der wichtigsten Ansätze, um Emissionen zu reduzieren. Hier kommt es auf jedes Gramm und jeden Grashalm an! Tjark erklärt: „Früher haben wir noch Pellets eingekauft, das ist Trockenfutter in einer Art Kugelform, heute mischen wir das Futter selbst. So versorgen wir unsere Tiere besser mit Nährstoffen. Außerdem entsteht weniger Abfall.”
Das Futter für die Kühe mischt die Familie selbst – angepasst auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Tiere.
Tjark und seine Eltern füttern von eigenen betriebsnahen Wiesen und haben ihre eigene Silage. Auch beim Kraftfutter bauen sie selbständig im Umkreis von zwei Kilometern Ackerbohnen an. Indem sie das Futter selbst mischen, können sie zudem die Anteile besser auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Tiere anpassen. Die können, wie bei uns auch, täglich schwanken. Der Kuhgesundheit ist das sehr zuträglich und auch für die Landwirt:innen zahlt sich ein gutes Futtermanagement aus. Denn ist die Futterration stimmig, nimmt die einzelne Kuh Nährstoffe besser auf. Die Folge: Ihre Ausscheidungen, die als Wirtschaftsdünger weiterverwertet werden, sind ärmer an Stickstoff.
Wer einen Blick in die Daten unserer Kuhwochenbücher wirft, stellt fest: Frühstück, Mittag und Abendessen gibt es bei den Kühen nicht. Auch nachts schleichen sich die Kühe an den Futtertisch, um einen Happen zu ergattern. Auf Tjarks Hof müssen sie allerdings nie mit leerem Magen umkehren. Dafür zeichnet nicht der Landwirt direkt, sondern Anschieberoboter Hermann verantwortlich. Er ist sieben Tage die Woche rund um die Uhr im Einsatz und kümmert sich darum, dass das Futter gleichmäßig auf dem Futtertisch verteilt ist. So kommt jede Kuh zum Zug und es herrscht weniger Stress innerhalb der Herde, da Kämpfe um die Rangordnung seltener sind. Auch die Landwirt:innen haben mehr Zeit für andere Dinge, die zu erledigen sind, und können zeitig in den Feierabend.
Der unter Strom stehende, emissionsarme Hermann ist ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie die Familie ihren Hof Schritt für Schritt in die Zukunft führt. Wegweisend war dabei das Jahr 2010: Unterschiedliche Überlegungen standen im Raum, sich neu aufzustellen – vom Milchviehhof zum pädagogischen Betrieb. Auch eine Erweiterung der Herde war eine Option. Schließlich investierte die Familie in den Umbau des Stalls zu einem Boxenlaufstall mit Außenklima und entschied sich damit für Tierwohl und gegen lineares Wachstum. Deshalb hat im Stall jede Kuh eine eigene Liegebox und viel Bewegungsfreiheit. Das trägt zur Harmonie innerhalb der Herde bei. Wer für einen Moment die Augen schließt, würde nicht vermuten, dass er mitten auf einem Milchviehhof steht – so ruhig ist es. „Ein gutes Zeichen dafür, dass es den Tieren gut geht“, wie Vater Henrik bemerkt. Und eine Bestätigung dafür, dass sich die Familie vor mehr als zehn Jahren richtig entschieden hat.
Jedes Jahr trifft die Familie neue Zukunftsentscheidungen.
Diesen nachhaltigen Weg will Tjark erfolgreich weitergehen. Seine Vision für den Hof dreht sich um die „automatisierte Fütterung“. Entweder mit einem autonomen oder mit einem schienengeführten Futtermisch- und Futterverteilwagen. „Damit würden wir super viel Arbeitszeit sparen und wären noch effizienter unterwegs“, erklärt er. Außerdem könne die Fütterung noch individueller gestaltet und damit die Gesundheit der Tiere weiter verbessert werden.
Doch noch ist das automatische Fütterungssystem Zukunftsmusik. Tjark möchte erst die weitere Entwicklung der Technologie abwarten, ehe er investiert. Dafür steht in diesem Jahr eine andere große Veränderung bevor. Vier neue Melkroboter sollen im Herbst kommen und den Kühen noch mehr Freiheiten bringen. Dank der Technologie können die Tiere selbst entscheiden, wann sie sich melken lassen wollen. Für die Familie bedeutet die Investition weitere Entlastung und mehr Stunden, die sie für die Tiere aufbringen können – oder auch für Hobbies.
Wer nachhaltig wirtschaftet, der hat stets das Big Picture im Blick – Tjark und seine Familie sind das beste Beispiel dafür. Sie reduzieren ihre Emissionen kontinuierlich, indem sie zum Beispiel ihr Futter selbst anbauen und mischen. Ihre Maßnahmen schonen nicht nur die Umwelt, sondern sorgen auch für mehr Tierwohl, effizientere Betriebsabläufe und eine funktionierende Work-Life-Balance. Denn Nachhaltigkeit umfasst Ökologie, Ökonomie und Soziales. Ein Dominoeffekt mit Zukunftspotenzial.