Stories vom Kuhsommer 2023
Gestatten, Kuh Cookie! Sie ist drei Jahre alt und ist eine sogenannte ‘Umfärberin’. In ihrem Fall bedeutet das, dass sie mit zunehmendem Alter ihre Fellfarbe von rotbunt zu schwarzbunt wechselt, was auf ihr Variant Red Carrier Gen zurückzuführen ist. In unseren Kuhstories erfahrt ihr, was Cookie im Sommer 2023 erlebt hat.
Luisa führt gemeinsam mit ihrem Vater einen Milchviehhof in dritter Generation. Dort arbeiten sie an verschiedenen Stellschrauben, um Emissionen zu senken und das Klima zu schonen. Ein besonderes Augenmerk legt die junge Landwirtin auf das Thema Artenvielfalt, die sie erhalten und schützen will.
Der Hof liegt mitten in einem Wasserschutzgebiet – der schonende Umgang mit der Umwelt liegt also in der Natur der Sache. Was bei all dem natürlich nicht zu kurz kommt: das Wohl ihrer Kühe!
Im Sommer stand den Kühen eine große Neuerung bevor. Ein neuer Melkroboter wurde eingebaut, der den alten Melkstand ersetzt. Ein zweiter Melkroboter soll in den kommenden Monaten folgen. Luisa wie auch die Kühe mussten sich an neue Abläufe gewöhnen. Wie die Vierbeiner und im Speziellen Cookie diese Zeit erlebt haben, erfahrt ihr in den Kuhstories.
Luisas Herde - und Cookie in pink!
Vorab: Der offene Boxenlaufstall von Luisa und ihrem Vater weist eine Besonderheit auf. Er teilt sich in zwei Hälften auf, in denen jeweils eine Herde lebt. Bevor auf der rechten Seite der Melkroboter eingebaut wurde, war die linke Seite auch die Melkseite. Dort steht der alte Melkstand, in dem die Kühe noch mit einer herkömmlichen Melkmaschine gemolken werden – morgens von 5.30 bis 8.30 Uhr und abends von 17 bis 20 Uhr. Den Anfang machte die Herde auf der rechten Seite. Die Tore wurden geöffnet und sie wanderten selbstständig zum Melkstand. Waren sie fertig, folgte die zweite Herde. Die Zeit nutzten Luisa und die anderen Mitarbeitenden, um Tränken zu reinigen, Lecksteine aufzufüllen, die Boxen zu säubern und frische Futterrationen zu verteilen.
Im Team haben es Luisa, ihr Vater und die weiteren Mitarbeitenden gut hinbekommen, Cookie und ihren Artgenossinnen ein weitgehend störungsfreies Kuhleben zu ermöglichen. Doch so ganz ohne geht es natürlich nicht. Eine größere Umstellung stand nun im Sommer bevor. Bevor der Melkroboter eingebaut werden konnte, musste zunächst der Stall umgebaut werden. So wurden Liegeboxen erneuert und an anderer Stelle entstanden neue, eine Wassertränke sowie eine neue Kuhbürste und weitere Ventilatoren kamen hinzu. Zudem wurde ein Kameraüberwachungssystem im Stall installiert, um die Herde auch via Handy immer im Blick zu haben. Am 29. August war es dann soweit: Der erste von zwei Melkrobotern wurde eingebaut! Cookie ist Mitglied der rechten Herde, die stets zum Melkstand auf der gegenüberliegenden Seite wandern musste. Sie betrifft die Umstellung also unmittelbar.
Was uns interessiert: Wie hat Cookie die erste Woche mit dem neuen ‘Mitbewohner’ erlebt? Tatsächlich können wir im Vergleich zu den Vorwochen eine Änderung im Verlauf des Wiederkäu-Index erkennen. Er ist weniger zackig, dafür fallen die Ausschläge nach oben und unten extremer aus. Das hängt damit zusammen, dass sich ihre Routinen ändern! War sie vor dem Start des Melkroboters an strikte Melkzeiten gebunden, gestaltet sie ihren Tag nun stärker nach ihrem eigenen Rhythmus und persönlichen Vorlieben. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn wir uns den Wiederkäu-Index der gesamten Herde anschauen: Seitdem der Roboter im Einsatz ist, weist der Graph einen anderen Verlauf auf – er ist weniger vorhersehbar und zeigt doch auch: Jede Kuh ist individuell.
Übrigens: Dass der Verlauf in der Infografik keine gerade Linie ist, sondern viele Zacken aufweist, hat verschiedene Gründe: Wie auch bei uns Menschen ist der ‘Hunger’ bei Kühen schwankend. Mal ist der Appetit größer, mal kleiner. Schieben Luisa, ihr Vater oder einer ihrer Mitarbeitenden das Futter vor, fühlen sie sich auch ermuntert, zuzulangen. Und auch die Rangordnung spielt eine nicht unwesentliche Rolle: Dominante Tiere haben längere Mahlzeiten. Untergeordnete Tiere zieht es dagegen häufiger zum Futtertisch.
Schon gewusst? Kühe können selbst steuern, wann sie mit dem Wiederkauen stoppen und wann sie die Aktivität wieder fortsetzen. Stoppt die Wiederkautätigkeit abrupt, kann das ein Zeichen von Unsicherheit sein. Auch warme Temperaturen sind ein Faktor. Je beständiger Kühe dagegen über den Tag verteilt wiederkauen, desto besser. Denn das zeigt: Der Kuh geht’s gut! Das trifft auch auf Cookie zu, deren Wiederkäu-Index sich über die gesamten acht Wochen unserer Aufzeichnungen in einem Optimalbereich von acht bis zehneinhalb Stunden pro Tag bewegt. Daraus lässt sich schließen, dass sie sich auf Luisas Hof wohl fühlt. Damit das so ist, achten die angehende Agrarwissenschaftlerin Luisa und ihr Vater sehr darauf, den Alltag ihrer Kühe klar zu strukturieren und immer ähnlich ablaufen zu lassen. Denn je weniger Störungen die gewohnten Routinen unterbrechen, desto besser.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Futtern und Wiederkauen? Sehr vereinfacht gesagt: Beim Fressen wird das Futter lediglich grob zerkaut und geschluckt, bevor es im Pansen landet. Die verflüssigten Nahrungsbestandteile werden von der Kuh direkt verdaut. Die festen Pflanzenfasern würgt die Kuh als kleinen Ball wieder hoch, wo sie in der Mundhöhle weiter zerkleinert werden. Rund 50-60 Mal kaut sie darauf herum und speichelt den Ball ein, bevor dieser schließlich ganz normal verdaut wird. Im Pansen zersetzen verschiedenen Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen das Futter, setzen wichtige Nährstoffe frei und dienen selbst wiederum als eiweißreiche Nahrung. Diese Nährstoffe finden wir dann in der Milch wieder.
Rund 9 Stunden am Tag verbringt Cookie durchschnittlich damit, ihr Futter wiederzukauen – um genau zu sein, sind es sogar 9,31 Stunden. Klingt viel, ist aber für eine Kuh normal. Die optimale Wiederkäudauer liegt zwischen 6 und 11 Stunden – das hängt natürlich auch ganz stark von der individuellen Kuh ab. So spielen Gewicht und Alter eine Rolle. Auch das Wetter und Futter nehmen Einfluss. Was vielleicht noch beachtlicher ist: Eine Milchkuh kaut jeden Tag während des Fressens etwa 12.000 bis 25.000 Mal und zusätzlich während des Wiederkäuens 20.000 bis 40.000 Mal.
Doch woran hat Cookie eigentlich den ganzen Tag zu kauen? Cookie & Co. sind grundsätzlich auf Raufutter angewiesen. Dazu gehört frisches Gras oder fermentierte Grassilage, Heu und Stroh. Sie machen etwa zwei Drittel des Futters aus. Zugefüttert werden häufig Reste aus der pflanzlichen Lebensmittelproduktion. Auf Luisas Hof gibt es zum Beispiel häufig Rübenschnitzel, ein Nebenprodukt aus der Zuckerrübenverarbeitung. Eine ganz besondere Mahlzeit ist Biertreber. Das sind Reste, die bei der Herstellung von Bier anfallen. Eine Brauerei liefert das für Kühe so bekömmliche Nebenprodukt regelmäßig an Luisas Hof. Die Landwirtin erklärt: “Wir verfüttern geringe Mengen, in der Regel sind das je nach Ration fünf bis zehn Prozent. Doch bereits dieser kleine Anteil hat einen großen Effekt.” Der zeigt sich in der sogenannten 'diätetischen Wirkung’. Was das schon wieder heißt? Einfach gesagt: Die Verdauung im Pansen wird verlangsamt. Cookie bleibt so mehr Zeit, um wichtige Nährstoffe aus dem Futter zu ziehen. Und noch einen Vorteil hat der Einsatz von Biertreber: Deutsche Brauer:innen sind dem Reinheitsgebot treu. Damit weist auch der Biertreber eine reine, natürliche Qualität auf – ohne jedwede Zusatzstoffe. Zum Wohl (auch ohne Alkohol, der im Treber nicht enthalten ist)!
Bis zum Einbau des zweiten Melkroboters waren nun alte und neue Technologie unter einem Dach – kann das gut gehen? Schließlich ist es für die Mitarbeitenden nicht so einfach, die Kühe an die neue Technik zu gewöhnen, während zeitgleich noch mit der Melkmaschine gemolken wird. Doch auch diese Herausforderung haben Luisa & Co. gut gemanagt. Einen großen Anteil haben dazu natürlich ihre Kühe beigetragen. Zwar haben Cookie und ihre Artgenossen anfangs noch ein wenig gefremdelt – das war am Morgen –, doch schon am Nachmittag desselben Tages waren echte Fortschritte zu erkennen. Luisa zieht ein positives Fazit: “Das Einmelken verlief entspannt und unsere Herde hat sich sehr schnell an die Technik und die neuen Abläufe gewöhnt. Schon als die erste Kuh im Roboter war, haben wir gemerkt: Das wird nicht schief gehen!”
Nun fiebern Luisa und die Anderen darauf hin, dass bald auch der zweite Melkroboter in Betrieb geht. Denn aktuell arbeiten sie mit zwei Systemen gleichzeitig. Aber warum haben sich Luisa und ihr Vater eigentlich für die Umstellung auf einen Melkroboter entschieden? Zum einen ist da die körperliche Entlastung. Das Melken mit der Melkmaschine geht auf Schultern und Rücken. Zum anderen ermöglicht die Technologie mehr Zeit im Umgang mit den Tieren. Luisa und Co. bewegen sich zwischen der Herde, während sie zum Beispiel den Stall säubern. Cookie und ihre Artgenossen sind dagegen nicht mehr an feste Zeiten gebunden. Sie können frei entscheiden, wann sie sich melken lassen wollen. Das kommt dem natürlichen Verhalten der Tiere entgegen, die einen eigenen Rhythmus entwickeln können.
Und der Melkroboter hat noch einen weiteren Vorteil: Er liefert Daten! “Vorher haben wir Milchkontrollen durchgeführt und uns auf unsere Intuition verlassen”, erklärt Luisa. “Nun haben wir noch eine weitere Quelle, die uns Informationen über unsere Kühe liefert.” Steigt zum Beispiel Cookies Körpertemperatur, kann Luisa das gleich über ihr Handy nachvollziehen. So können sie sich noch zielgerichteter um die Gesundheit von Cookie und den Rest kümmern. Das Tolle: Nicht nur die Wiederkäuer profitieren von neuen Technologien, sondern auch Landwirt:innen wie Luisa, Florian und Martin, die wir in den letzten Wochen begleiten durften. Denn die Daten sind auch auf dem Handy abrufbar. Das gibt den Milchwirt:innen auch ein wenig mehr Freiraum im privaten Leben, wenn sie z. B. von unterwegs praktisch in den Stall gucken können. Sie selbst können ihre Arbeitszeiten etwas flexibler gestalten Eine Win-Win-Situation also für Kuh und Mensch.