Let’s do Zukunft vor Ort

Ein Milchhof, der zum Entdecken einlädt

Gerade im Herbst herrscht im hohen Norden schon mal eine steife Brise. Doch Wilke und seine Familie, die einen Milchhof in Friesland betreiben, hält das nicht von ihrer Arbeit ab. Täglich setzen sie nachhaltige Maßnahmen um, kümmern sich um das Wohl ihrer Kühe – und nehmen sich darüber hinaus noch die Zeit für ehrenamtliches Engagement.

Im südlichen Friesland, nicht weit von der Nordseeküste entfernt, liegt der Milchhof, den Wilke gemeinsam mit seinem Vater Hermann-Wilhelm betreibt. Wilkes Frau Anna hilft am Nachmittag bei Bedarf aus. Und Mutter Alke kümmert sich darum, dass alle rundum versorgt sind. „Wir sind ein echtes Familienunternehmen“, so Wilke. Daneben packen noch ein Auszubildender und zwei Aushilfen mit an.

Gemeinsam kümmern sie sich um insgesamt 150 Milchkühe, zu denen auch Rieka und Valeska gehören. Sie stellen wir in unseren Kuhwochenbüchern näher vor. Außerdem zählt die Herde noch ein weiteres, inoffizielles Mitglied: Hofhündin Ida. Wenn sie sich nicht mit den Kühen im Stall oder auf der Weide aufhält, begleitet sie Wilke und Heermann-Wilhelm auf Schritt und Tritt. „Unser Tag startet um sechs Uhr mit dem Melken der Kühe. Dann ist Ida schon dabei. Danach geht’s auf die Weide“, erklärt Wilke.

Ein echtes Familienunternehmen: Landwirt Wilke, Frau Anna, Mutter Alke und Vater Hermann-Wilhelm

Ein Stück Grün direkt vor der Haustür

Und die ist nicht weit: Die Kühe können direkt aus dem Stall auf verschiedene Weideparzellen geleitet werden. Das ist ein durch Zäune oder natürliche Grenzen abgetrenntes Gebiet auf der Weide. Diese wird also immer nur partiell von den Kühen „bewirtschaftet“, Stück für Stück. Ein solchs Vorgehen fördert das Nachwachsen des Grases und verhindert eine Überweidung.

Wilke nimmt am Weidemilchprogramm seiner Molkerei teil. Das setzt voraus, dass die Herde an mindestens 120 Tagen im Jahr auf die Weide kommt. „Über die Zahl kommen wir jedes Jahr locker drüber“, so der Landwirt. Wenn es die Witterung erlaubt, haben seine Kühe sechs Stunden Weidegang pro Tag. Doch nach einem eher milden Herbstauftakt fallen die Temperaturen in Friesland langsam aber sicher in den einstelligen Bereich. „Aktuell reduzieren wir die Auslaufzeit immer weiter. Regnet es zu doll oder wird es noch kälter, ist es mit dem Weidegang im Herbst vorbei,“ so der junge Landwirt. Für die Kühe ist das mehr als okay. Sie mögen zwar kühle Temperaturen um die 10 Grad Celsius, aber ist es draußen matschig und stürmt es, halten auch sie sich lieber im Stall auf.

Neben dem Wohl der Kühe, um das sie sich kümmern, schonen sie auch das Grünland im Herbst und Winter. Andernfalls könnte die so wichtige Grasnarbe zu Schaden kommen. Sie schützt den Boden vor Erosion, also das Abtragen der obersten, besonders fruchtbaren Bodenschicht durch Wasser oder Wind. Geht sie verloren, verliert der Boden an Fruchtbarkeit. Es wächst weniger Gras. Und weniger Gras bedeutet weniger Futter für die Kühe, wenn sie im Frühling und Sommer wieder auf die Weide gehen. Im Sinne einer nachhaltigen Nutzung der Weide ist es daher sinnvoll, die Weidehaltung in der kalten Jahreszeit zu pausieren.

Von der Weide in den Futtertrog: Super-Hülsenfrucht Klee

Auf ihrem Betrieb drehen Wilke und sein Vater an verschiedenen Stellschrauben, um möglichst nachhaltig zu wirtschaften. Sie setzen auf smarte Kreisläufe und entwickeln sie stetig weiter. Eine wichtige Hilfe, um weitere Emissionen zu reduzieren, ist die Ökobilanz: „Der CO2-Fußabdruck wird jedes Jahr von unserer Molkerei erfragt. Das hilft aber auch uns als Unternehmer, denn man erhält ein präzises Bild vom Status quo und entdeckt Potenziale für Verbesserungen.“

Aktuell bauen sie im Betrieb verstärkt Klee auf ihrem Grünland an. Dieser bindet Stickstoff aus der Luft und fungiert als natürlicher Dünger. Das hat sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile, da weniger mineralischer Dünger aus großer Entfernung transportiert werden muss.

Außerdem ist Klee reich an Eiweiß und Mineralien. Das erhöht den Proteinanteil im Grundfutter, die Hauptnahrung für die Kühe, das auf Wilkes Hof aus Gras, Silomais, Rapsschrot und Luzernen besteht. Dadurch muss weniger Kraftfutter hinzugegeben werden. Zudem schmeckt Kühen Kleegras besonders gut. Das kann man auch auf der Weide beobachten. Dort steuern die Tiere meist die Flächen an, die besonders stark mit der vielseitigen Hülsenfrucht bewachsen sind.

Kurze Wege und Strom von der Sonne

Permanente Motivation von Wilke ist es, dass sich seine Kühe hauptsächlich vom Grundfutter ernähren. Aktuell liegt der Anteil bei drei Vierteln, was ausgesprochen hoch ist. Die einzelnen Futterkomponenten legen dabei keine großen Distanzen zurück. Felder und Dauergrünland liegen in direkter Nähe zum Hof. Auch der zugekaufte Raps liegt nur fünf Kilometer weit entfernt. Diese Nähe erleichtert nicht nur die tägliche Arbeit, sondern trägt auch zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft bei. Weniger Transportwege bedeuten auch weniger Emissionen!

Ein hoher Grundfutteranteil gilt auch deswegen als nachhaltig, da die einzelnen Futterkomponenten oft vor Ort angebaut werden. Auch das Kraftfutter, in diesem Fall Getreide-Pellets, bezieht Wilke von einem lokalen Händler. Die Mühle, in der das Getreide zu Pellets verarbeitet wird, ist nur rund acht Kilometer vom Hof entfernt. Das Getreide selbst wird ebenfalls regional an der Nordseeküste angebaut.

Um zusätzlich Emissionen zu reduzieren, haben Wilke und Hermann-Wilhelm in einen Anschieberoboter investiert, der mit Strom betrieben wird. Er sorgt dafür, dass sich das Futter stets in Kauweite für die Kühe befindet. „Früher fuhr noch ein dieselbetriebener Schlepper durch den Stall oder das Futter wurde per Hand angeschoben. Heute funktioniert das elektronisch und automatisch“, so Wilke.

Ein Teil des Stroms kommt dabei von der Hof-eigenen Photovoltaikanlage, die mit einem Speicher gekoppelt ist. Rund 30 Prozent des auf dem Betrieb verwendeten Stroms wird über Sonnenkraft generiert. Wilke kann sich sehr gut vorstellen, in Zukunft noch mehr grünen Strom zu produzieren. Das wäre zum Beispiel mit einer Windkraftanlage für den Hof möglich.

Elektrischer Versorger: Der Anschieberoboter sorgt dafür, dass das Futter stets in Kauweite der Kühe ist.

Landwirtschaft zum Riechen, Fühlen, Schmecken

Landwirt:in ist ein Full-Time-Job. „Mein Vater und ich sind eigentlich 24/7 hier,“ erklärt Wilke. Das hindert die Familie aber nicht daran, sich darüber hinaus zu engagieren. Wilke ist bei der Freiwilligen Feuerwehr, wo er als Gruppenführer Verantwortung übernimmt. Vater Heermann-Wilhelm ist zweiter Vorsitzender im Landeskontrollverband Weser-Ems, Mutter Alke Vizepräsidentin des Landfrauenverbands Wesr Ems. Diese Aufgaben bieten Abwechslung vom Betriebsalltag. „Man kommt mit Leuten aus der Branche ins Gespräch und nimmt neue Ideen für den eigenen Betrieb mit“, erklärt Wilke.

Darüber hinaus ist es ein besonderes Anliegen der Familie, schon den Kleinsten die Welt der Landwirtschaft näherzubringen. Wilkes Frau Anna arbeitet vormittags als Erzieherin in einem Waldkindergarten. Mindestens einmal im Monat führt sie die Kindergartenkinder auf dem Betrieb herum. Ihnen wird viel Freiraum gelassen, um selbst auf Entdeckungstour zu gehen und alles genauestens unter die Lupe zu nehmen. „Lernen durch Erleben!“, lautet das Motto.

Der Zukunft zugewandt

Und wie geht es weiter? Den Milchhof gibt es seit 110 Jahren. Immer wieder wurde investiert, damit der Betrieb weiter zukunftsfähig bleibt und das Tierwohl gesichert ist. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Der Plan ist es, die Arbeit weiter zu automatisieren und den Melkstand durch zwei Melkroboter zu ersetzen. Dafür muss der Stall umgebaut werden, was Zeit und Geld kostet. Doch für die Kühe und auch für das Vater und Sohn-Gespann wird sich die Investition auszahlen, davon ist Wilke überzeugt: „Die Kühe können frei entscheiden, wann sie zum Melken gehen. Und auch wir sparen Arbeitszeit.“

Deutlich wird: Stagnation ist für Landwirt Wilke ein Fremdwort. Er will seinen Betrieb ins Morgen führen. Die Arbeit daran beginnt heute!