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Prof. Dr. Wilhelm Windisch im Interview

Wir brauchen Nutztiere für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion

Die Ernährung von Mensch und Tier sind untrennbar miteinander verbunden. Im Interview erklärt Prof. Dr. Wilhelm Windisch, Ordinarius für Tierernährung an der Technischen Universität München, warum eine klimaschonende Erzeugung von Lebensmitteln nur mit Nutztieren möglich ist.

Prof. Dr. Windisch, um die Nutztierhaltung ranken sich viel Mythen. Sind Milchkühe für die Umwelt wirklich so schädlich, wie behauptet wird?

Je weniger Nutztiere es gibt, desto besser – solche irreführenden Narrative bestimmen die öffentliche Diskussion. Dabei wird ein Zerrbild der Landwirtschaft und ihrer vermeintlichen Klimaauswirkungen geschaffen. Denn tatsächlich ist der ökologische Ernährungskreislauf mit Pflanzenanbau und Nutztierhaltung sinnvoll und nachhaltig.

Können Sie diesen Ernährungskreislauf genauer beschreiben?

Wiederkäuer und Grasland bilden eine ökologische Einheit, ein Ökosystem, das so schon seit Tausenden von Jahren existiert. Genauso sind Milchkühe und Ackerbau wichtige Bestandteile in der agrarischen Kreislaufwirtschaft. Wir benötigen beides, um uns klimabewusst zu ernähren. Entscheidend ist dabei die effiziente Nahrungsaufnahme, also nicht essbare Biomasse zu verwerten und so eine hohe Futterqualität für unsere Nutztiere zu gewährleisten.

Was meinen Sie mit nicht essbarer Biomasse?

Die Produktion pflanzlicher Lebensmittel erzeugt große Mengen an Tierfutter. Je Kilogramm veganes Lebensmittel für den menschlichen Verzehr fallen in der landwirtschaftlichen Produktion etwa vier Kilogramm nicht essbare pflanzliche Biomasse an. Diese Biomasse enthält große Mengen an Pflanzennährstoffen. Durch die Verfütterung profitieren die Tiere von den Nährstoffen, die sonst verloren wären. Und die Tiere können daraus sogar Lebensmittel produzieren. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Produktionswert in der Größenordnung des Nährwerts der veganen Lebensmittel. Anders gesagt: Werden die Pflanzenreste nicht an Tiere verfüttert, entsteht am Ende ein Nettoverlust an Nahrung, der etwa so groß ist wie die vegane Produktion selbst.

Pflanzenreste sind also nahrhaftes Tierfutter, richtig?

Unter anderem. Die Agrarrohstoffe werden an Kühe verfüttert oder in Form von Gülle zu Biogas vergärt. Gärreste sind wiederum hochwertiger Dünger für den Pflanzenanbau. Vermeintliche „Abfälle“ werden wieder für Pflanzenkulturen genutzt, die der menschlichen Ernährung dienen. Der Ernährungskreislauf schließt sich. Somit fördern Nutztiere die Pflanzenproduktion und erzeugen zusätzliche Lebensmittel ohne Nahrungskonkurrenz.

Was bedeutet Nahrungskonkurrenz?

Kühe werden zu Nahrungskonkurrenten des Menschen, wenn sie Pflanzen fressen, die auch Menschen essen können. In einer moderaten Fütterung mit Gräsern und Ernte-Nebenprodukten (Extraktionsschrot, Zuckerrübenschnitzel) oder Koppelprodukten (Stroh) ist das nicht der Fall. Wiederkäuer sind per se keine Nahrungskonkurrenten des Menschen. Im Gegenteil: Sie können aus nicht essbarer Biomasse wie Gras oder Heu Eiweiß bilden. Dafür benötigen sie von Natur aus kein Nahrungseiweiß. Die Mikroben im Pansen (Vormagen der Kuh) verwandeln löslichen Stickstoff in hochwertiges Eiweiß. Die Basisproduktion von Milch und Rindfleisch entsteht somit völlig ohne Nahrungskonkurrenz.

Wie nachhaltig ist diese Kreislaufwirtschaft?

Die Kombination von rein pflanzlichen (veganen) Produkten und die Verfütterung der Nebenprodukte ist eine Win-Win-Situation für Tier und Mensch. Aus derselben Biomasse lässt sich so ein Maximum an Lebensmitteln gewinnen, während die Emissionen weitgehend unverändert bleiben.

Eine einseitig für vegane Lebensmittel genutzte Landwirtschaft ist weder nachhaltig noch klimaschonend, eine einseitig intensive Tierhaltung auch nicht. Erst in der richtigen Kombination erreicht die Umwelt- und Klimawirkung der Landwirtschaft ihr Minimum. Pflanzenbasierte Ernährung und Milchkonsum gehen Hand in Hand.

Ist die Kuh dann noch ein Klimakiller?

Nein. Wiederkäuer sind nur scheinbar ineffizient und emissionsstark. Dass die Kuh Methan ausstößt, ist unvermeidlich. Die Gasbildung im Pansen hängt aber vom Futterverzehr ab. Je höher die Futtereffizienz ist, desto geringer die Methan-Belastung des erzeugten Lebensmittels. Durch ihre Fähigkeit, Gras und Pflanzenreste in Milch zu verwandeln, sind Kühe regelrechte Booster der Lebensmittelproduktion. Ihr CO2-Fußabdruck ist gemessen am verzehrbaren Protein, das sie liefern, relativ gering.

Zudem macht das Methan aus der Tierhaltung in Deutschland jährlich nur 3,2 Prozent der gesamten Treibhausgase aus. Im Gegensatz zu CO2 zerfällt Methan in der Atmosphäre sehr rasch und ist nach 10 bis 20 Jahren wieder verschwunden. Als CO2 gelangt es über die Photosynthese wieder in die Pflanzen und verbleibt so im Nährstoffkreislauf. Sofern also die Anzahl der Kühe gleich bleibt, ist auch die Konzentration des Methans in der Atmosphäre dieselbe. Hinzu kommt, dass die Viehbestände in Deutschland ohnehin immer kleiner werden.

Am meisten unterschätzt werden die Milchkühe als Wiederkäuer. Sie sind die wichtigsten Nutztiere, weil sie in einer ausgeglichenen Kreislaufwirtschaft unsere Kulturlandschaft erhalten, die Biodiversität (Grünland) fördern und für eine nachhaltige Bewahrung der Ressourcen (Boden, Wasser) für kommende Generationen sorgen. Somit hat die Milch eine Schlüsselposition im geschlossenen Ernährungskreislauf der Zukunft.

Wie sieht für Sie der optimale Ernährungskreislauf der Zukunft aus?

Ziel muss ein optimales Verhältnis zwischen Tier- und Pflanzenproduktion in einer ausgeglichenen Kreislaufwirtschaft sein. Daraus ergeben sich aber auch insgesamt weniger tierische Lebensmittel als wir es momentan gewohnt sind. Der Gesamtkonsum an Milch, Fleisch und Eiern wird erheblich sinken müssen. Das ist für alle gesünder: für die Umwelt, für die Konsument:innen und auch für die Landwirt:innen, denn die Lebensmittel tierischer Herkunft werden wieder den Preis bekommen, der ihrer hohen Qualität gebührt. Dank der effizienten Wiederkäuer wird es Milch und Milchprodukte allerdings immer noch in relativ großzügiger Menge geben.

Die Milch in der landwirtschaftlichen Kreislaufwirtschaft

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Zur Person

Professor Dr. Wilhelm Windisch, Jahrgang 1958, ist promovierter Agrarwissenschaftler. Von 2002 bis 2010 war er Professor für Tierernährung an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), eine der renommiertesten Universitäten für Nachhaltigkeitsforschung in Europa. Heute lehrt er an der Universität München. Seit 2011 ist er Vorsitzender der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Tierernährung.