Produktion

Unterwegs auf der Milchstraße – der Weg vom Euter bis ins Kühlregal

Vom Hof über die Molkerei bis ins Kühlregal – Nur wenige Schritte reichen, damit aus Rohmilch Trinkmilch wird. Doch sie sind entscheidend für Sicherheit und Haltbarkeit – und tun dem Geschmack selbst keinen Abbruch.

Milch ist ein Naturprodukt, das nur wenig Bearbeitung bedarf. Dennoch gibt es zwischen der Kuh und dem Supermarktregal einige wichtige Stationen, die die Milch durchlaufen muss, bevor wir sie in ihren unzähligen Produktvarianten genießen können. Sie sorgen dafür, dass Milch haltbar und sicher für den unbedenklichen Konsum ist. Der Geschmack und die Nährstoffe, die Rohmilch auszeichnet, bleiben dabei weitgehend erhalten.

Milchproduktion auf einen Blick

Der Kreislauf der Milch: Nach dem Melken wird die Milch in großen Tanks heruntergekühlt. Von dort wird sie in den Milchsammelwagen gepumpt und in der Molkerei weiterverarbeitet. Nach der Homogenisierung und Pasteurisierung wird die Rohmilch entweder zu vielen leckeren Produkten weiterverarbeitet oder als Trinkmilch verpackt und an den Handel geliefert.

Auf dem Hof: O’ zapft is

Die Milchproduktion beginnt im Milchviehbetrieb. Von denen gibt es über 49.000 in Deutschland. Jede Kuh geht zwei bis drei Mal am Tag in den Melkstand, wo sie gemolken wird. Der Melkvorgang geschieht entweder automatisiert mit einem Melkroboter oder in einer manuell bedienten Melkanlage, in der die Saugzylinder vom Melk-Personal auf die Zitzen gesetzt werden. Schon die ersten Tropfen der Milch werden von Messgeräten analysiert und durch mehrere Parameter geprüft: Stimmt die Temperatur? Wie gut ist die Qualität? Dieser Kontrollprozess ist sehr wichtig und wird von Mensch und Maschine penibel überwacht.

Was passiert eigentlich, wenn eine Kuh krank ist?

Eine kranke Kuh wird von den anderen Tieren getrennt. Dafür gibt es im Stall meistens eine eigene „Krankenstation“. Die Milch dieser Kuh darf bis fünf Tage nach Ende der Behandlung nicht weiterverarbeitet werden.

Wenn mit der Milch alles in Ordnung ist, wird die Kuh komplett gemolken. Eine gesunde Kuh, die sich wohlfühlt, gibt im Schnitt 27 Liter Milch pro Tag. Also kann ein Melkvorgang rein rechnerisch schon mal zehn bis zwölf Liter ergeben. Die warme Milch aus dem Euter wird in einem Vorkühler mit Wasser heruntergekühlt. Hier nutzen einige Betriebe einen smarten Wärmetausch. Sie lassen das Trinkwasser für den Stall um den Vorkühler laufen, so dass es die Milch kühlt und dann leicht erwärmt in den Trinkanlagen für die Tiere ankommt. So nachhaltig löst es zum Beispiel auch Bauer Börger in Niedersachsen.

Nach dem Melken muss die Rohmilch bei 4° C bis 8° C gekühlt werden. Sie wird in einen Milchtank geleitet, der die Temperatur und Qualitätsmerkmale ständig überwacht.

Abholung: Täglich grüßt der Sammelwagen

Die frische Milch wird täglich von einem Molkereifahrzeug abgeholt. Die meisten Milchbäuerinnen und -bauern beliefern seit vielen Jahren die gleichen Molkereien, die ihre Rohmilch weiterverarbeiten. Große Molkereien arbeiten teilweise mit mehreren tausenden Milcherzeuger:innen zusammen. Beim „Verladen“ der Milch vom Tank in das Sammelfahrzeug wird die Menge sowie der Fettgehalt der Flüssigkeit genau gemessen. Für jede Sorte Milch gibt es eine eigene Sammeltour, sodass zum Beispiel Biomilch nicht mit Weidemilch oder Heumilch im selben Tank gemischt werden.

In der Molkerei: Milch im Schleudergang

Beim verarbeitenden Betrieb angekommen, wird die Milch zunächst bei der sogenannten Separation erhitzt und getrennt. In einer großen Maschine mit Zentrifuge wird die Rohmilch so schnell umgerührt, dass sich der Rahm von der fast fettfreien Magermilch trennt. Die Milch durchlebt sozusagen einen ordentlichen Schleudergang. Danach werden beide Komponenten neu zusammengesetzt. Je nachdem, wie die Magermilch und der Rahm neu vermischt werden, wird die Rahmstufe bzw. der Fettgehalt bestimmt. In Vollmilch beispielsweise sind das 3,5 bis 3,8 Prozent. Aus dem reinen Rahm wird in weiteren Verarbeitungsschritten auch Butter oder Sahne hergestellt.

Homogenisierung: Für leckere Cremigkeit

Wir lieben die besonders cremige Konsistenz der Milch. Um diese zu erreichen, müssen die Fettkügelchen zerkleinert und gleichmäßiger in der Flüssigkeit verteilt werden – die Milch wird homogenisiert. Dafür wird sie unter hohem Druck durch besonders feine Düsen gepresst. Die Fetttröpfchen verteilen sich und schwimmen nicht mehr an die Milchoberfläche, wo sie sich normalerweise als Rahm absetzen. Durch das Homogenisieren der Milch wird das verhindert.

Wärmebehandlung: Milch haltbar und sicher machen

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Wärmebehandlung, die sogenannte Pasteurisierung. Dabei wird die Milch für einige Sekunden stark erhitzt. Das tötet sämtliche Keime und Mikroorganismen ab und macht sie länger haltbar. Frischmilch wird etwa 30 Sekunden bei 72° C bis 75° C erhitzt und ist danach bis zu zehn Tage im Kühlschrank haltbar. H-Milch und Extended-Shelf-Life-Milch (ESL) wird nur maximal vier Sekunden mit bis zu 127° C ultrahoch erhitzt und ist dann mehrere Wochen haltbar. Dank der Pasteurisierung können wir sicher sein, dass unsere Milch nicht nur lecker, sondern auch sicher zu trinken ist!

Mit H-Milch selbst Joghurt herstellen

Weil H-Milch ultrahoch erhitzt wird, ist sie besonders gut für die Home-made-Herstellung von Joghurt geeignet. Die Milch muss nur noch auf etwa 40 Grad erwärmt und mit Joghurtkulturen angereichert werden. Nach einer Nacht in einem geschlossenen Gefäß an einem warmen Ort gelagert, ist der Joghurt fertig zum Genießen.

Verpackung: Ab in die Tüte

Nach der Hitzebehandlung geht’s ab in die Füllanlage. Die Verpackung für Milch besteht in der Regel aus Pappkarton, der mit Kunststofflaminat beschichtet ist. Die Molkereien arbeiten daran, für immer mehr Produkte nachhaltiges Verpackungsmaterial zu nutzen. Das reicht von pflanzlichen Beschichtungen bis zum Einsatz von Wellpappe, um insgesamt Material einzusparen. Es gibt sogar Milchverpackungen, die zu 40 Prozent aus Kalziumkarbonat – also Kreide – bestehen. Diese sind sehr leicht und verursachen deutlich weniger Abfall. Auch die Schraubverschlüsse aus Kunststoff werden intensiv weiterentwickelt. Es gibt bereits erste Modelle aus einem Stoffgemisch auf Zuckerrohrbasis, also pflanzenbasiert.

Die nostalgische Glasflasche ist übrigens im Moment nicht so umweltfreundlich, wie man meint: Da es nur wenige Abfüll- und Waschstationen gibt, müssen Die Mehrwegflaschen vom und zum Abfüller oft viel weiter transportiert werden. Sie wiegen mehr als Kartonage und lassen sich nicht so platzsparend stapeln. Der Transport verursacht somit deutlich mehr CO2 als andere Verpackungslösungen. Eine Ausnahme sind regionale Produkte, wo die Milchflaschen nur kurze Distanzen vom und zum Ursprungshof zurücklegen. Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) hat zur Ökobilanz von Getränkeverpackungen einen Mehrweg-Guide erstellt.

Anlieferung: Ab ins Kühlregal

Ist die Milch gründlich aufbereitet, geprüft und verpackt, wird sie an den Handel ausgeliefert. In Deutschland gibt es rund 35.000 Lebensmittelgeschäfte, von denen nahezu alle Molkereiprodukte verkaufen. Das sind sehr viele Lieferstellen, die eine ausgefeilte Logistik erfordern. Damit die Anlieferung so effizient und nachhaltig wie möglich geschieht, werden zum Beispiel spezielle Lieferanten-Kodizes vereinbart und Logistik-Apps eingesetzt, um Lieferströme immer weiter zu verbessern. So wird bis zur letzten Meile darauf geachtet, dass die Milch möglichst umweltschonend ins Kühlregal gelangt.

Tipps zum Lesen und Schauen

Zum Tag der Milch am 1. Juni 2021 hat das Forum Moderne Landwirtschaft mit mehreren Partner:innen einen 24-Stunden-Live-Milchmarathon gesendet. Die Aufzeichnung findet ihr hier.

Ihr wollt mehr über Milchviehbetriebe und die Milcherzeugung erfahren? Zahlreiche Landwirt:innen nehmen euch auf MyKuhtube mit in ihre Ställe und bei Frag den Milchbauern werden auch die knifflige Fragen beantwortet.