Fakten über Milch

Ungesund, unbeliebt, unwirksam? Die sieben größten Milch-Mythen auf dem Prüfstand

Sie galt Jahrtausende als überlebenswichtiges Grundnahrungsmittel – und dennoch steht sie seit jüngster Vergangenheit vor neuen Herausforderungen. Über Milch von Kühen sind allerlei Behauptungen im Umlauf, die nicht nur ihren Nährwert infrage stellen, sondern zum Teil sogar vor ihrem Verzehr warnen. Was ist dran an diesen Mythen? Wir klären auf!

Mythos Nr. 1: Milch schadet der Gesundheit

Von Diabetes bis Krebs, von Arteriosklerose bis Osteoporose – die Milch gilt immer wieder als Sündenbock im Zusammenhang mit einer Vielzahl von Krankheiten. Fakt ist, das bisher keine Studie einen Zusammenhang zwischen diesen Krankheiten und Milchkonsum eindeutig belegen konnte. Im Gegenteil: Manche Inhaltsstoffe der Milch werden sogar als unterstützend bewertet, um Erkrankungen vorzubeugen.1 Es ist wie nahezu bei jedem Lebensmittel – die Menge macht’s! So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) einem Erwachsenen pro Tag den Genuss von 200 bis 250 Millilitern Milch (also ein Glas) sowie zwei Scheiben Käse und erklärt auf ihrer Website: „Milch und Milchprodukte spielen eine wichtige Rolle für die Nährstoffversorgung, insbesondere durch den Mineralstoff Kalzium“.

Mythos Nr. 2: Milch ist bei einer Laktoseintoleranz tabu

Besonders in jüngeren Jahren ist es nahezu ein „Trend“, über eine (vermeintliche) Laktoseintoleranz zu klagen. Tatsächlich sind laut Angaben des Bundeszentrum für Ernährung (BzfE) etwa 15 Prozent der Bevölkerung von einer Laktoseintoleranz betroffen: Sie können den Milchzucker nicht verwerten.2 Das kann zu Symptomen wie Sodbrennen oder Durchfall unmittelbar nach dem Verzehr führen. Für sie ist ein unbedingter Verzicht auf Milch nicht nötig. Zum einen enthalten viele Milchprodukte ganz natürlich kaum oder gar keine Laktose, etwa gereifter Käse. Bei ihm wird die Laktose schon beim Herstellungsprozess durch die eigenen Käsekulturen verstoffwechselt. Zum anderen gibt es mittlerweile etliche laktosefreie Varianten von Milch und Milchprodukten sowie das fehlende Enzym in Form von Tabletten, die vor dem Essen genommen werden können. Außerdem werden Laktose positive Effekte auf die Verdauung zugeschrieben. Selbst bei Laktoseintoleranz können kleine Laktosemengen nach einer Phase der Meidung wieder helfen, die Laktoseverdauung zu verbessern.3 Und neue Forschungsergebnisse des Einstein College of Medicine in New York zeigen, dass Menschen mit Laktoseintoleranz in der Regel kleine Mengen Kuhmilch vertragen und damit sogar ihr Risiko für Typ-2-Diabetes senken konnten.4

Mythos Nr. 3: Pflanzliche Drinks verdrängen die Milch

Hafer-, Soja- oder Mandeldrinks gehören mittlerweile in nahezu jedem guten Café zum Angebot. Auch Zahlen belegen, dass der Markt der pflanzlichen Produkte Wachstumspotenzial hat.5 Ist das das Ende der klassischen Kuhmilch? Zunächst einmal: Die hohen Wachstumsraten sind auch mit dem niedrigen Ausgangsniveau zu erklären. So sind hohe Zuwächse kein ungewöhnlicher Vorgang bei innovativen Produkten. Das Umsatzniveau klassischer Milch können die alternativen Anbieter jedoch noch lange nicht erreichen – 2022 entsprach es ungefähr einem Zwanzigstel.

Die Entwicklungen im Bereich der Milchprodukte waren je nach Warengruppe unterschiedlich. Einige Milchprodukte stiegen in den letzten Jahren im Durchschnittsverbrauch pro Kopf an, beispielsweise Naturjoghurt und Käse. Erzeugnisse aus Buttermilch und Butter veränderten sich nicht. Mit einem Jahresverbrauch von 25,7 Kilogramm pro Kopf lag die Vollmilch auf dem Niveau von 2015 (25,3 kg pro Kopf).6 Das Interesse an veganen Produkten ist jedoch in der Gesellschaft angekommen. Flexitarier:innen schätzen die zunehmend größere Auswahl und fast alle Deutschen haben schon einmal vegane Alternativen ausprobiert. Wirklich Konsequent bleiben aber nur wenige: Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und dem Marktforschungsinstitut Forsa ernähren sich 10 Prozent der Deutschen vegetarisch, 2 Prozent vegan. Junge und ältere Befragte weisen deutlich unterschiedliche Anteile an Veganern und Vegetariern auf.7

Aktuell lässt sich also ein Nebeneinander von tierischen und pflanzlichen Produkten beobachten. Dabei ist es wichtig zu betonen, das ein Eins zu Eins-Vergleich zwischen pflanzlichen Drinks und Milch aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht haltbar ist. Wer pflanzliche Alternativen nutzt, sollte darauf achten, dass die Drinks mit Nährstoffen angereichert sind. Das ist der große Vorteil der Milch: die einfache Zutatenliste ohne Zusatzstoffe bei vollem Gehalt an hochwertigem Eiweiß und Mineralstoffen.

Mythos Nr. 4: Milch, Butter und Co. sind Klimakiller

Immer wieder wird versucht, Milch und Milchprodukten den schwarzen Peter in Sachen Klimawandel unterzuschieben. Vor allem Butter soll eine Klimasünde sein, da sie ein konzentriertes Milchprodukt ist und für den Methanausstoß der Kuh steht. Mit Augenmaß betrachtet sind Bereiche wie Mobilität und Energie mit sehr viel mehr Emissionen verbunden als die Portion Butter von 10 Gramm auf dem Brot. Für einen einfachen Inlandsflug Berlin - München berechnet Atmosfair.de 308 kg CO2 pro Kopf. Das entspricht etwa 150 Päckchen Butter (250 g) – eine Menge, die wir in etwa sechs Jahren pro Kopf konsumieren.89 Ein weiterer Vergleich gefällig? In Deutschland trinken wir im Schnitt 110 Milliliter Trinkmilch am Tag. Das entspricht beispielsweise sieben Minuten Online-Streaming.

Fakt ist: Emissionen aus der Tierhaltung bilden mit rund sieben Prozent einen vergleichsweise geringen Teil der Gesamtemissionen. Das Methan aus der gesamten Tierhaltung in Deutschland macht nur ca. 3,2 Prozent der Gesamtemissionen aus.10 Zudem sind nach aktuellem Stand des Weltklimarates (IPCC) die Zusammenhänge aus dem System zwischen Luft, Boden, Gras und Tier noch nicht ausreichend bekannt. Landwirt:innen und Molkereien treiben weltweit Innovationen voran, um den Methanausstoß zu verringern. Gemeinsam mit der Forschung arbeiten sie an verbesserten Fütterungsmethoden und neuen Stalltechnologien. Das zeigt zum Beispiel unser Projekt Let´s do Zukunft. Und noch ein spannender Fakt: In Deutschland bevorraten die landwirtschaftlich genutzten Flächen mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie der gesamte Baumbestand in den deutschen Wäldern.11 Bekannt ist, dass Grünland, also Wiesen und Weiden, sehr viel Kohlenstoff bindet. Dieses Grünland muss aber bewirtschaftet werden, damit der CO2-Speichereffekt funktioniert. Wiederkäuer machen hier einen guten Job, weil sie die Erdoberfläche mit Hufen und Gewicht festigen und so die Speicherkapazität des Grünlands erhöhen. Wird Grünland nicht beweidet oder gemäht, steht es der Nahrungsmittelproduktion meistens nicht zur Verfügung, da viele Flächen zu steinig oder steil sind, um z.B. mit Traktoren bewirtschaftet werden zu können.

Mythos Nr. 5: Milch macht dick

Milch ist kein klassisches Getränk, mit dem wir unseren Durst löschen. Es enthält viele Nährstoffe. Im Verhältnis zu den meisten pflanzlichen Drinks enthält Vollmilch mehr Kalorien, nämlich 64 Kilokalorien pro 100 ml. Studien zeigen, dass regelmäßiger Milchkonsum eher zu einer Gewichtsabnahme als -zunahme führt. Das liegt daran, dass Milch mit seinen Proteinen nachhaltig sättigt. Wer trotzdem auf Kalorien achten will: Fettreduzierte Milch (1,5 statt 3,5 % Fett) enthält 47 Kilokalorien pro 100 ml.

Milch verfügt außerdem über einen niedrigen glykämischen Index (GI), was sich positiv auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Der GI gibt darüber Auskunft, wie schnell der Blutzuckerspiegel ansteigt, wenn Zucker aus Lebensmitteln verstoffwechselt wird. Je höher der GI, desto schneller steigt der Blutzuckerspiegel an und sinkt danach wieder tief ab. In solchen Senken signalisiert das Gehirn dem Körper ein Hunger-Gefühl. Die Nährstoffe in der Milch führen zu einem niedrigeren GI als die Rohstoffe der Pflanzendrinks. Durch die Gesamtkomposition mit den enthaltenen Proteinen und Fetten in Milch steigt der Blutzuckerspiegel also weniger schnell und hoch an. Das bewirkt ein Sättigungsgefühl und vermeidet Heißhunger.12

Mythos Nr. 6: Milch verursacht schlechte Haut

Vor allem in der Pubertät sind Menschen auf der ganzen Welt von fiesen Pickeln geplagt. Die häufig verzweifelten Teenager bekommen dabei allerlei mehr oder wenige hilfreiche Tipps zu hören. Einer davon: auf Milch und Milchprodukte verzichten! Dabei gibt es auch hier keine aussagekräftigen Untersuchungen, die der Milch bei der Entstehung von Akne den schwarzen Peter zuschieben können. Das liegt vor allem daran, dass die Gründe für eine schlechte Haut vielfältig und individuell sind: von Hormonschwankungen über die genetischen Anlagen bis hin zu Umwelteinflüssen. Ein kompletter Verzicht von Milch könnte also für manche vielleicht von Vorteil sein – während andere von ihren Inhaltsstoffen wie Jod oder Vitamin B12, die wichtig für die Hautgesundheit sind, in ihrem Kampf gegen Akne profitieren.

Mythos Nr. 7: Milch verschleimt uns

Wir kennen diesen Rat vor allem bei Erkältungen: Bloß die Milch weglassen, das macht es sonst nur noch schlimmer! Diese Empfehlung stammt – neben unserer Oma – vor allem aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Denn der Milch wird eine „verschleimende“ Wirkung nachgesagt. Wissenschaftliche Studien können dies aber in keinster Weise bestätigen.13 Und auch die gute alte Milch mit Honig darf bei grippalen Infekten weiterhin bedenkenlos getrunken werden.

1 World Cancer Research Fund (WCRF): Report 2018.
2 Bundeszentrum für Ernährung: Milch in der Ernährung.
3 Richard A. Forsgård. Lactose digestion in humans: intestinal lactase appears to be constitutive whereas the colonic microbiome is adaptable. 2019.
4 Pharmazeutische Zeitung: Milch auch bei Laktoseintoleranz zu empfehlen.
5 Milch News: Globales Wachstum im Bereich der Milchsubstitute.
6 The Good Food Institute Europe (gfi): Alternative Proteine in Deutschland. Report zu aktuellen Entwicklungen rund um nachhaltige Proteinquellen auf Basis von Pflanzen, Zellkultivierung und Fermentation. Mai 2023.
7 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Ernährungsreport 2023 (PDF).
8
Milchindustrie-Verband. Pro Kopf-Verbrauch von Milchprodukten.
9
Berichte über Landwirtschaft. Zeitschrift für Agrarpolitik: CO2-Fußabdruck für Milch und Milchprodukte, Kilogramm CO2 je Kilogramm Produkt, Abb.9.
10
Umweltbundesamt 2022: Treibhausgasemissionen in Deutschland.
11
Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BIZ): Wie viel CO2 binden landwirtschaftlich genutzte Böden?
12 Vogue: Goodbye, Oat Milk: Since Learning This, I No Longer Add It To My Coffee.
13
Kompetenzzentrum für Ernährung (KERN): Freispruch für die Milch, S. 34f. (S. 31f. im PDF).