Fleisch-Sommelier im Interview
Fleisch-Sommelier und Rinder-Kenner Hans Metz über seine Erfahrungen in der Milch-Sommelier-Ausbildung.
Zum einen habe ich von Berufswegen großes Interesse an Lebensmitteln. Ich bin Zentraleinkäufer für Fleisch, Wurst und Frischfisch bei einer großen familiengeführten Handelskette im Ostallgäu. Neben dem Fleischermeister durfte ich mir auch die Titel Fleisch-Sommelier, Wurst-Schinken-Sommelier, Gewürz-Sommelier und Cortador de Jamon erarbeiten.
Zum anderen liegt es an meiner Herkunft: Bei uns im Allgäu sind Rinder das Kulturgut Nummer eins. Ohne unsere Nutztiere wäre unsere zivilisatorische Entwicklung gar nicht möglich gewesen. Rinder finde ich also von Hause aus faszinierend und wollte nun eine neue Perspektive auf diese tollen Tiere gewinnen. Ich wollte sozusagen die Milch-Seite der Kuh betrachten. Mich interessiert, ob und wie man zum Beispiel Rinderrassen und Haltungsunterschiede aus der Milch herausschmeckt.
Und wie! Für jemanden wie mich, der nicht aus der Milchbranche kommt, war das ein großes Aha-Erlebnis. Wir haben mit den Expertinnen der muva in Kempten eine analytische Prüfung mit sämtlichen Sensorik-Tests durchgeführt: Paar-Prüfung, Dreiecks-Prüfung, beschreibende Prüfung und dann auch die Off-Flavour. Ich hatte zum ersten Mal zig Milchen vor der Nase, aus denen man die fütterungs- und haltungsbedingten Unterschiede herausschmecken konnte, zum Beispiel ob das Tier mit Gras- und Maissilage oder Heu gefüttert wurde. Ich konnte auch verschiedene Rassen und die geschmacklichen Unterschiede verkosten, das war hochspannend. Bei Milch von Bio-Rindern schmeckt man einen deutlichen Unterschied. Die Bio-Heumilch aus dem Allgäu ist auch mein klarer Favorit.
Ich habe das Thema Milch komplett unterschätzt. Die Milchschulung hat uns ein unfassbares Wissenspaket mitgegeben. Ich glaube, jeder in diesem Kurs war vom Milch-Kosmos und der Milch-Matrix mit deren vielen Facetten überwältigt. Allein die Aromen-Welten der verschiedenen Milchsorten hat sich für alle umfangreicher erwiesen als erwartet. Oder auch der Vorgang in der Kuh, bei dem das Euter mit bis zu 500 Litern durchblutet wird, damit ein Liter Milch entsteht.
Ich hatte schon immer Ehrfurcht vor den Tieren, aber jetzt hat mein Respekt eine neue Dimension erreicht. Allein, dass Kühe aus Wasser und Gras Milch erzeugen können, ist für mich ein Wunder. Ich habe tiefen Respekt vor dem biologischen Gesamtkonzept von Rindern, Kühen, Grünflächen, Milcherzeugung und unserer Ernährung. Ich finde das alles hochspannend.
Meine Kenntnisse der Nutztierrassen waren schon hilfreich. Alleine schon wegen des Rassenwissens hinsichtlich Fleischrassen, Zweinutzungsrassen und Milchrassen und den dazugehörenden fleischspezifischen Kenntnissen.
Natürlich sind Milch- und Fleischfett nicht dasselbe, und es ist nicht alles auf Milchrassen wie das Allgäuer Braunvieh oder das Holstein-Friesian übertragbar, doch es gibt schon Parallelen: Wenn die Kühe in Weidehaltung im Frühjahr frisches Gras fressen und sich der Beta-Carotin-Anteil sowie der Omega-3-Anteil erhöhen, bekommt die Butter eine sattere, gelbe Farbe, die sogenannte Maibutter oder Sommerbutter.
Den Effekt gibt es auch beim Fleisch: Je mehr Gras die Tiere in Weidehaltung fressen, desto höher ist der Omega-3-Anteil im Fleisch.
Milch ist schon aufgrund der Tatsache spannend, dass wir Europäer gentechnisch Laktose aufspalten können. Ich sehe es als ein Privileg an, dass wir diese Produkte genießen dürfen.
Aber da ich ja auch ein Fleischspezialist bin, fand ich vor allem den Teil zur Tierhaltung interessant. Ich bin ein absoluter Qualitätsfanatiker. Top-Qualitäten bekomme ich nur, wenn alle Produktionsschritte in entsprechend hoher Qualität durchgeführt werden. Ob das jetzt das Weide- oder Herdenmanagement, das Futter, die Tierpflege oder Hygiene ist – bei der Milch ist einfach jeder Schritt wichtig und bis ins Detail ausgefeilt und durchdacht. Ansonsten stimmt die Qualität nicht – egal ob Fleisch oder Milch!
Mich hat das einzigartige Zusammenwirken der Inhaltsstoffe von Milch angeregt, über neue Produktvariationen nachzudenken. Wir führen in unserem Unternehmen zum Beispiel die Milch-Bratwurst in der Bedienungstheke. Diese enthält 10 Prozent Allgäuer Milch. Beim Anbraten der Wurst karamellisiert der Milchzucker und ein schöner Bräunungs- und Geschmackseffekt entsteht, die sogenannte Maillard-Reaktion.
Wir sind aber auch immer auf der Suche nach neuen Innovationen und wollen zum Beispiel mit diversen Milchprodukten experimentieren. Mir schweben bereits ganz neue Kreationen vor, wie etwa eine Joghurt-Wurst. Die angenehme Säure im Joghurt gibt dem Produkt bestimmt eine geschmackliche und sensorisch interessante Frische. Das wäre eine echt zeitgemäße Wurst-Innovation, auch aus ernährungsphysiologischer Sicht.