Produktvielfalt
Haferdrinks und Co. sind mittlerweile in jedem Supermarkt zu finden. Wir werden oft gefragt, wie wir die pflanzlichen Drinks sehen – und ob wir denken, dass sie Milch wirklich ersetzen könnten. Das ist unsere Antwort.
Pflanzendrinks aus Hafer, Erbse, Soja oder Mandel sind zum Beispiel im Kaffee oder für Müsli angesagt. Sie sind aus spannenden Zutaten gemacht und versprechen Abwechslung. Insbesondere, wenn man sich für mehr pflanzliche Lebensmittel im Speiseplan interessiert.
Aktuell sehen wir, dass Leute vor allem ausprobieren und Milch(produkte) neben den pflanzlichen Produkten verwenden. Hier ist eine neue Kategorie entstanden. Medien sprechen gern von einem Boom. Die anfänglich prozentual hohen Wachstumsraten waren vor allem mit dem niedrigen Ausgangsniveau zu erklären. Anders gesagt: Wer auf niedrigem Niveau startet, der ist auch mit Wachstum im Verhältnis zum Rest immer noch klein. Heute hat der Markt für Pflanzendrinks etwa ein Zehntel der Größe der Trinkmilch im Lebensmitteleinzelhandel und entwickelt sich moderat weiter, 2024 etwa +7 Prozent. Im Vergleich: Der Absatz von Bio-Milch stieg um rund acht Prozent. Zahlen, Zahlen, Zahlen ... Am Ende schätzen Flexitarier:innen die zunehmend größere Auswahl an Produkten und das ist gut so.
Die Noten von nussig bis süß sind reine Geschmackssache, aber sind Pflanzendrinks nun ein vollwertiger Ersatz für Milch? Wenig überraschend: Im Grunde haben sie wenig miteinander gemein, weil sie einen ganz anderen Ursprung haben und sich die Bestandteile im Getränk anders zusammensetzen. Wir haben ein paar Punkte zusammengetragen, warum ein Vergleich zwischen Milch und Pflanzendrinks eigentlich unmöglich ist.
Milch und Pflanzendrinks haben im Prinzip nur eine Gemeinsamkeit: Ihr Hauptbestandteil ist Wasser. Pflanzendrinks werden durch beispielsweise gemahlene Früchte oder Haferflocken gehaltvoll. Jede dieser Zutaten ist wertvoll, keine Frage. So sind Hafer oder Mandeln reich an Ballaststoffen und pflanzlichen Ölen. Aber sie besitzen eben sehr spezifische Nährstoffprofile. Da sich Hafer, Kokos und Co. stark unterscheiden (z. B. Gehalt an Protein oder Fett), gibt es nicht den einen Pflanzendrink, der mit Milch vergleichbar ist.
Die Hersteller setzen den Pflanzendrinks Mineralstoffe, Vitamine oder auch Eiweiß zu, um die Drinks näher an das Profil der Milch zu rücken. Drinks aus Hafer, Mandeln und Soja enthalten deshalb oft ein Dutzend Zutaten.(1) Ob die zugesetzten Nährstoffe von unserem Körper genauso gut verwertbar sind, ist noch unklar. Während die Milch schon seit Jahrzehnten erforscht und seit Jahrtausenden getrunken wird, ist die wissenschaftlich Datenlage bei Pflanzendrinks gering.
Milch hingegen hat eine sehr kurze Zutatenliste mit genau einer Zutat: Kuhmilch. Sie besitzt nicht nur einen unnachahmlichen Geschmack, sondern kommt ohne Zusatzstoffe aus, während sie den vollen Gehalt an hochwertigem Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen bietet. Was alles von Natur aus in der Milch steckt, erfahrt ihr in unserem Nutri-Check.
Kuhmilch ist mehr als die Zusammensetzung ihrer Inhaltsstoffe. Der magische Begriff lautet Milch-Matrix. Diese einzigartige Struktur beschreibt den Aufbau des Lebensmittels Milch, das sich aus Wasser, Eiweiß, hochwertigem Rahm, Fett, Vitaminen und Mineralstoffen zusammensetzt. In Kuhmilch sind die Stoffe auf natürliche Weise miteinander verbunden. In der Wissenschaft heißt das Bioverfügbarkeit, also wie viel Mineralstoffe und Vitamine kommen am Zielort im Körper an. Dabei spielen z.B. Verarbeitung und das Zusammenspiel der Nährstoffe untereinander eine große Rolle. Deshalb kann unser Körper zum Beispiel Kalzium aus Milch besser aufnehmen, als wenn wir es in Pulverform zu uns nehmen. Die einzigartige Matrix macht auch das besondere, fein sämige Mundgefühl der Milch aus.(2)
Viele halten pflanzliche Drinks für die schlankere Alternative. Doch wer die Kalorienangaben vergleicht, stellt schnell fest: Das Energieniveau ist recht ähnlich. Eine Portion fettarme Milch (250 Milliliter) kommt auf 108 Kilokalorien, dieselbe Menge Haferdrink auf 110 Kilokalorien. Dabei liefert die Milch hochwertiges Eiweiß bei weniger Fettanteil. Entscheidend ist also nicht nur die Zahl der Kilokalorien, sondern auch das Verhältnis von Energiegehalt und Nährstoffprofil. In einer kalorienbewussten Ernährung halten Milch mit 1,5 Prozent Fett, fettarmer Joghurt oder Magerquark locker mit. Im Vergleich bieten Hafer und Co. sehr spezifische Nährstoffprofile. Wer Milchprodukte durch pflanzliche Produkte ersetzen möchte, sollte daher immer auf die unterschiedlichen Nährstoffprofile achten.
Die Milchgewinnung und -verarbeitung erfolgt in vier wesentlichen Schritten: Melken, pasteurisieren (Wärmebehandlung), abkühlen, verpacken. Mehr dazu findet ihr hier.
Die Pflanzendrink-Produktion braucht wesentlich mehr Schritte, allein um die Basiszutaten zu verarbeiten. Besonders aufwendig gestaltet sich die Bearbeitung von Mandeln. Nach Ernte und Reinigung müssen diese geknackt, blanchiert, wärmegetrocknet und gemahlen werden. Dann erst geht es an die eigentliche Verarbeitung – Wasser mischen, Rezeptur einfügen, homogenisieren, verpacken.
Apropos Verpackung: Hier punktet die Milch mit ihrer transparenten Herkunftskennzeichnung. Auf jeder Milchpackung findet sich ein Code, der mit Kürzeln das Ursprungsland, Bundesland sowie die Produktionsstätte, also die Molkerei, offenlegt. So lässt sich auf einen Blick nachvollziehen, woher die Milch stammt.
Beim Nährstoffgehalt je verursachtem Gramm CO2 liegt die Milch vorn.
Oft wird der CO2-Fußabdruck von Milch und Pflanzendrinks verglichen und dabei vor allem auf die reine Menge geschaut. Nun ist Milch aber kein Durstlöscher, sondern ein Nahrungsmittel mit vielen wertvollen Nährstoffen, wie Proteinen. Betrachtet man den Nährstoffgehalt je verursachtem Gramm CO2 – und damit in Proportion zum Beitrag in unserer täglichen Ernährung –, liegt Milch vorn.
Ein Beispiel: Bei der Produktion von einem Liter Milch werden circa 1.840 Gramm CO2-Äquivalente je Kilogramm Nährstoffe freigesetzt. Dafür liefert sie uns einen sehr hohen Nährstoffgehalt. Für einen Liter Haferdrink werden achtmal so viele CO2-Äquivalente je Kilogramm Nährstoff verursacht. Dabei liefert uns der Drink aber viel weniger Nährstoffe. Wenn man also den CO2-Fußabdruck im Verhältnis zum Nährstoffgehalt betrachtet, ist die Milch effektiver und umweltfreundlicher als pflanzliche Drinks.
Eine aktuelle Analyse(3) von 2025, die unter anderem auf neuen Daten von finnischen(4) und britischen(5) Forschungsgruppen basiert, betrachtet den Nachhaltigkeits-Aspekt noch einmal differenzierter. Zugrunde lag ein Nährstoffindex, der die Nährstoffdichte im Verhältnis zum täglichen Bedarf betrachtet. Ins Verhältnis mit dem jeweiligen Emissionspotenzial gesetzt, ergibt sich ein Nutrient Density Climate Impact (NDCI). Angelegt an die Nährstoffe und Emissionen von Milch und Haferdrink ergibt sich folgendes Bild: Reiner Haferdrink hat zwar eine niedrigere CO₂-Bilanz als Milch, enthält dafür aber wesentlich weniger essentielle Nährstoffe wie hochwertiges Protein, Kalzium und Vitamin B12. Wird Haferdrink mit Nährstoffen angereichert, verbessert sich seine ernährungsphysiologische Qualität. Allerdings steigt dadurch auch seine CO₂-Bilanz um knapp ein Fünftel (19 Prozent). Berücksichtigt man also die Nährstoffdichte, fällt die CO2-Bilanz von Haferdrink ohne Zusätze sogar schlechter aus als die von Milch.
Kuhmilch hat eine einzigartige Struktur aus Wasser, Eiweiß, hochwertigem Rahm, Fett, Vitaminen und Mineralstoffen. In Kuhmilch sind die Stoffe auf natürliche Weise miteinander verbunden. Neben der Qualität der Nährstoffe überzeugt die Milch damit, wie unser Körper diese aufnehmen und verwerten kann. Einzelne für die Milch typische Mikronährstoffe werden in den Pflanzendrinks angereichert. Unklar ist, wie gut die zugesetzten Nährstoffe in Pflanzendrinks vom Körper aufgenommen werden können. Denn zu einer genügenden Versorgung ist nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Nährstoffe wichtig – Stichwort Milchmatrix, auf die wir in Punkt 2 bereits näher eingegangen sind.
Milch gehört seit tausenden von Jahren zu unserer Ernährung in Europa. Kaum ein Lebensmittel ist demnach so gut untersucht wie die Milch. Ihr Beitrag zur ausgewogenen Ernährung ist wissenschaftlich belegt, die gesundheitlichen Vorteile kann man nicht imitieren. Das zeigt auch eine Meta-Analyse zum aktuellen Forschungsstand. Das Forschungsprojekt „Update Milch“ vom Institut für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg hat sich 19 Studien nach dem Zufallsprinzip herausgegriffen (randomisiert) und im Zwischenfazit verkündet, dass es kaum belastbare Daten dafür gibt, dass sich ein höherer Milchkonsum nachteilig auf Blutdruck, Cholesterin und andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt. Viele Studien sprechen sogar dafür, dass Milch positive Auswirkungen hat, z. B. vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Heißhungerattacken schützt.
In Hinblick auf die Nachhaltigkeitsdebatte bieten die aktuellen Studienergebnisse aus Finnland und Großbritannien nicht nur neue Ansätze für die ganzheitliche Bewertung der Umweltauswirkungen von Lebensmitteln. Sie unterstützen auch die Erkenntnis, dass tierische Lebensmittel wie Milch nicht zwangsläufig höhere Umweltauswirkungen verursachen als ihre pflanzlichen Alternativen.
Dies sind einige der wichtigsten Unterschiede von Milch und Pflanzendrinks – was sie zeigen: Ein direkter Vergleich ist an vielen Stellen nicht möglich. Denn Lebensmittel wie Milch und Haferdrink haben nicht nur eine Umweltwirkung, sondern auch eine ernährungsphysiologische Funktion. Daher kann ein Vergleich allein auf Basis der CO₂-Bilanz irreführend sein. Eine nachhaltige Ernährung sollte nicht nur klimafreundlich, sondern auch ernährungsphysiologisch sinnvoll sein. Dabei sollte eine ausgewogene Ernährung keine Lebensmittelgruppen ausgrenzen. Milchprodukte und pflanzenbasierte Lebensmittel bringen kombiniert alles mit, was wir brauchen.
Außerdem ergänzen sich Pflanzen und Tiere bei der Erzeugung von Lebensmitteln, sie bilden seit Jahrtausenden eine ökologische Einheit. Je Kilogramm veganem Lebensmittel für den menschlichen Verzehr fallen in der landwirtschaftlichen Produktion etwa vier Kilogramm nicht essbare pflanzliche Biomasse an. Durch deren Verfütterung profitieren die Tiere von den Nährstoffen, die sonst verloren wären. Und der Kuhmist, der beim Verdauen der Biomasse entsteht, ist wiederum Teil eines Kreislaufs. Als hochwertiger und natürlicher Dünger fördert er das Pflanzenwachstum. Neue Lebensmittel entstehen.
Habt ihr noch Fragen zu den Unterschieden von Milch und Pflanzendrinks? Meldet euch bei uns, wir freuen uns auf einen offenen Austausch.
(3) Christian Zscherpe: „Wer die Umweltauswirkungen von Milch und pflanzlichen Milchalternativen bewerten will, muss die Nährstoffdichte berücksichtigen“, März 2025.
(4) Kyttä, V., Kårlund, A., Pellinen, T., Tuomisto, H. L., Kolehmainen, M., Pajari, A., & Saarinen, M.: Extending the product-group-specific approach in nutritional life cycle assessment. The International Journal of Life Cycle Assessment, 2023.
(5) Ritchie, H.: Dairy vs. plant-based milk: what are the environmental impacts?, 2022.
Milch vs. Haferdrink – Eine Frage der Perspektive?
Die European Dairy Asssociation (EDA) hat eine Übersicht zu Pflanzendrinks erstellt. Hier gehts zur deutschen Übersetzung.