Interview
Fermentierte Milchprodukte wie Joghurt sind angesagt, weil sie einen gesunden Lifestyle unterstützen sollen. Wie gut sie für unseren Körper sind und welche Rolle Probiotika dabei spielen, erklärt uns Ernährungswissenschaftlerin und Coach für Sporternährung Dr. Christina Steinbach.
Darmgesundheit ist heute ein viel diskutiertes Thema, denn immer mehr Forschungen betonen die Rolle des Darms für die ganzheitliche Gesundheit. Das schärft das Bewusstsein dafür, dass Darmbakterien und das Mikrobiom bedeutsam sind, wenn es zum Beispiel um chronische Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme und Depressionen geht. Hinzu kommt das steigende Interesse an präventiver Gesundheit: Menschen möchten ihre Lebensqualität verbessern und Krankheiten vorbeugen. Die wachsende Popularität von Probiotika, Präbiotika und fermentierten Lebensmitteln zeigt: Viele wollen ihre Darmgesundheit mit der richtigen Ernährung fördern. Medien und Bestseller wie „Darm mit Charme“ haben ebenfalls dazu beigetragen, das Interesse an diesem Thema zu wecken.
Der Begriff „Bauchgehirn“ oder „Bauchhirn“ leitet sich vom enterischen Nervensystem (ENS) ab. Dieses komplexe Netzwerk von rund 100 Millionen Nervenzellen steuert die Verdauung unabhängig vom zentralen Nervensystem. Das ENS kann autonom arbeiten, weshalb der Darm oft als „zweites Gehirn“ bezeichnet wird. Über die Darm-Hirn-Achse steht das ENS jedoch in enger Kommunikation mit dem zentralen Nervensystem. Deshalb können sich emotionale Zustände wie Stress oder Freude auf den Darm auswirken und umgekehrt.
Der Darm ist ein zentrales Organ für die Gesundheit, da er weit mehr als nur die Verdauung übernimmt. Über die Schleimhaut des Darms werden Nährstoffe aufgenommen, die Energie für den gesamten Körper liefern. Gleichzeitig spielt der Darm eine Schlüsselrolle im Immunsystem, da etwa 70 Prozent der Immunzellen in der Darmwand angesiedelt sind. Ein ausgewogenes Mikrobiom, also die Gemeinschaft der im Darm lebenden Mikroorganismen, unterstützt die Barrierefunktion des Darms und schützt vor Krankheitserregern. Der Darm nimmt auch über die Darm-Hirn-Achse Einfluss auf die Psyche und das zentrale Nervensystem. So beeinflusst er nicht nur unser körperliches, sondern auch unser emotionales Wohlbefinden. Ein gestörter Darm, beispielsweise durch eine unausgewogene Ernährung oder die Einnahme von Antibiotika, kann Krankheiten wie Allergien, Entzündungen oder sogar chronische Leiden begünstigen.
Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm, einschließlich Bakterien, Viren und Pilze. Es hilft bei der Verdauung schwer verdaulicher Stoffe, produziert Vitamine und stärkt die Darmbarriere. Zudem reguliert es Entzündungen und trägt zur Immunabwehr bei. Ein gesundes Mikrobiom schützt vor Durchfallerkrankungen, Blähungen und Entzündungen, während ein unausgewogenes Mikrobiom (Dysbiose) mit Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Verbindung gebracht wird.
Fermentierte Milchprodukte liefern probiotische Bakterien wie Laktobazillen und Bifidobakterien, die das Mikrobiom bereichern und die Darmschleimhaut stabilisieren. Sie können die Verdauung verbessern, das Immunsystem stärken und entzündliche Prozesse im Darm reduzieren. Wer regelmäßig fermentierte Milchprodukte isst, unterstützt eine gesunde Mikrobiom-Vielfalt und beugt Verdauungsproblemen wie Blähungen und Verstopfung vor.
“Yoghurt, it’s great inside” ist ein von der EU co-finanziertes Programm des European Milk Forums (EMF). Ziel ist es, gemeinsam die nachhaltige Lebensmittelproduktion in Europa transparent zu machen und tatkräftig zu unterstützen.
Ein widerstandsfähiges Mikrobiom entsteht durch eine abwechslungsreiche Ernährung mit Ballaststoffen aus Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst. Fermentierte Lebensmittel wie Joghurt, Kefir oder Sauerkraut liefern probiotische Bakterien, sowie beim Sauerkraut auch präbiotische Faserstoffe. Darüber hinaus fördern Bewegung, Stressmanagement und ausreichend Schlaf ein gesundes Mikrobiom.
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die gezielt eingenommen werden, um das Mikrobiom zu bereichern. Beispiele sind fermentierte Lebensmittel, wie Joghurt oder auch Nahrungsergänzungsmittel. Präbiotika hingegen sind Ballaststoffe wie Inulin, Oligofruktose oder resistente Stärke, die den nützlichen Bakterien im Darm als Nahrung dienen. Während Probiotika also Bakterien „liefern“, fördern Präbiotika das Wachstum und die Aktivität bestehender gesunder Darmmikroben. Beide zusammen – bekannt als synbiotischer Ansatz – wirken besonders effektiv.
Zu den wichtigsten Probiotika-Stämmen in unserem Darm und unserem Essen gehören Laktobazillen (Milchsäurebakterien) und Bifidobakterien. Laktobazillen helfen dabei, Milchzucker in Milchsäure umzuwandeln und werden zur Herstellung von Joghurt, Käse und anderen fermentierten Lebensmitteln verwendet. Sie sind auch für ihre probiotische Wirkung bekannt. Durch die Fermentation von Zucker zu Milchsäure senken sie den pH-Wert im Darm. Diese saure Umgebung mögen krankheitserregende Keime wie Salmonellen oder schädliche E. coli-Stämme gar nicht. So entsteht eine stabile Darmflora mit weniger Verdauungsproblemen wie Blähungen oder Durchfall.
Beide Bakterienstämme produzieren außerdem kurzkettige Fettsäuren, die als Energiequelle für die Zellen der Darmschleimhaut dienen und die Darmbarriere stärken. Das hilft, schädliche Stoffe und Krankheitserreger davon abzuhalten, in den Körper zu gelangen.
Der Hype um Probiotika ist zwar nicht gänzlich unberechtigt, aber die Wirkung der Bakterienstämme noch nicht hinreichend belegbar. Während Studien positive Effekte für spezifische Beschwerden wie Durchfall oder Reizdarmsyndrom belegen, zeigt die neuere Forschung auch potenzielle Nachteile bei einer unspezifischen Anwendung. Probiotika als Nahrungsergänzung sollten sehr gezielt eingesetzt werden, da die Zusammensetzung des Mikrobioms durch unspezifische Probiotika möglicherweise gestört wird. Das kann negative Effekte wie eine geringere Vielfalt des Mikrobioms nach sich ziehen.
Schnell zubereitet und reich an nährstofffördernden Zutaten: Cremigen Naturjoghurt mit fein gehackten Soft Aprikosen, Haferflocken und gehackten Mandeln vermischen. Die Masse zu kleinen Bällchen formen und in Kokosraspeln wälzen. Diese Kombination liefert Probiotika aus dem Joghurt, Präbiotika aus Haferflocken und gesunde Fette aus Mandeln und Kokos. Die Aprikosen sorgen für natürliche Süße und antioxidativen Schutz. Guten Appetit!
Quellen
Dr. Christina Steinbach ist Ernährungswissenschaftlerin mit jahrzehntelanger Expertise in der Sporternährung. Sie berät Hobby- und Leistungssportler:innen sowie Unternehmen. Als Coach und auf ihrem erfolgreichen Instagram-Account @docsteinbach macht sie komplexe Ernährungsthemen und Food-Wissen für Sportler:innen verständlich.
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Von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen entsprechen jedoch ausschließlich denen des Autors bzw. der Autoren und spiegeln nicht zwingend die der Europäischen Union oder der Europäischen Exekutivagentur für die Forschung (REA) wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können dafür verantwortlich gemacht werden. Weitere Informationen zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung finden Sie hier: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)