Mit der Milch vor Ort

Faszination Milchtechnologie

Hochschulprofessorin Britta Rademacher erzählt, was die Forschung zur „Milchwirtschaftlichen Lebensmitteltechnologie“ heute leistet und welche Jobs man damit anstreben kann.

Mit der Milch vor Ort Folge 2

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In der zweiten Folge unseres Webcasts besuchen wir Prof. Britta Rademacher, Professorin in der Bioverfahrenstechnik und verantwortlich für den Studiengang „Milchwirtschaftliche Lebensmitteltechnologie". Sie erzählt uns, was die Arbeit in der Milchwirtschaft so besonders macht.

Geht es ums Arbeiten in der Milchwirtschaft, denken viele zuerst an Kühe und Bauernhöfe. Doch der Kosmos der Milch reicht weit darüber hinaus. Die Milchverarbeitung in Deutschland ist komplex und vielschichtig. Und sie hat viele spannende Jobs zu bieten – auch für Akademiker.

Der Studiengang „Milchwirtschaftliche Lebensmitteltechnologie“ ist ein guter Einstieg in diesen Job-Kosmos. Ein Blick auf den Studienplan spiegelt die große Bandbreite an Wissen wider, das mit der Arbeit in einer Molkerei oder bei einem Lebensmittelhersteller einhergeht.

In unserer zweiten Webcast-Folge haben wir mit Britta Rademacher gesprochen. Sie ist Professorin in der Abteilung Bioverfahrenstechnik an der Hochschule Hannover und gibt uns fachliche Einblicke in die Welt der Milch-Technologie.

Frau Rademacher, was glauben Sie, motiviert Studierende dazu, sich der Lebensmitteltechnologie zu widmen?

Man hat einerseits mit Produkten zu tun, die jeder von uns zum Leben braucht. Es ist für alle relevant. Zum anderen kann man diese Produkte selbst herstellen. So sieht man, was man geschaffen hat. Das ist unglaublich faszinierend.

Wem würden Sie den Studiengang ‚Milchwirtschaftliche Lebensmitteltechnologie‘ empfehlen?

Das Studium ist sicher für all diejenigen geeignet, die naturwissenschaftlich-technologisches Interesse haben und die sich mit Zukunftsfragen beschäftigen möchten, wie zum Beispiel unsere Ernährung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aussieht.

Die Studierenden werden fit gemacht für die Berufstätigkeit in der Milch- und Lebensmittelindustrie und auch in benachbarten Industriezweigen. Also zum Beispiel Unternehmen, die die Prozessanlagen bauen, die in den Molkereien für die Milchverarbeitung zum Einsatz kommen, oder in biotechnologischen Unternehmen, die Starterkulturen oder Enzyme herstellen.

Wie lernen die Studierenden konkrete handwerkliche Fähigkeiten, etwa wie man Käse oder Butter herstellt?

In unserem Technikum haben wir eine richtige kleine Molkerei. Dort stehen alle Geräte und Anlagen, mit denen man Milchprodukte herstellen kann. Hier lernen die Studierenden, welche Prozesse später mal relevant sind, wenn sie in den Beruf einsteigen. Im technologischen Praktikum stellen sie selbst Butter, Joghurt oder Schnittkäse her. Auch Feta und Eiscreme sind dabei, für die man spezielle Anlagen braucht. Es bleiben eigentlich keine Wünsche offen.

Studierende der Milch-Technologie lernen in ihrem Studium auch, wie man Käse herstellt.

Dürfen die Studierenden die selbst hergestellten Produkte auch probieren?

Das müssen sie sogar. Wenn sie einen Parameter im Herstellungsprozess adaptiert haben, muss das Ergebnis ja geprüft werden. Dazu machen wir eine sensorische Prüfung, bei der wir bewerten, was der angewendete Prozess ergeben hat. Die Verkostung findet allerdings erst statt, nachdem wir das Produkt mikrobiologisch haben untersuchen lassen. Wir müssen stets sicherstellen, dass wir hygienisch gearbeitet und produziert haben und dass vom Produkt keine Gesundheitsgefährdung ausgeht. Das, was nach der Verkostung übrigbleibt, dürfen die Studierenden selbst verzehren – ein schöner Nebeneffekt unserer Forschung.

So wird nichts wird weggeworfen, ein Pluspunkt in der Nachhaltigkeit. Wie kann die Industrie der Milchproduktion aber noch nachhaltiger werden?

Ein Schwerpunkt ist die Prozessoptimierung. Die verarbeitenden Unternehmen entwickeln Produktionsweisen kontinuierlich weiter, mit Blick auf den nachhaltigen Einsatz von Energie und Wasser sowie die ganzheitliche Verarbeitung der Milch.

Schaut man sich die Historie der Milchproduktion an, gibt es bis heute in praktisch allen Bereichen große Verbesserungen. Ein Beispiel: Früher hat man die bei der Käseherstellung anfallende Molke als Schweinefutter verwendet. Heute ist man bemüht, das in der Molke enthaltene Eiweiß wieder zurückzugewinnen, um daraus Proteinpulver oder neue Molke-Produkte herzustellen.

Was früher ein Abfallprodukt war, ist heute ein Trend-Getränk?

Genau, das haben wir wiederentdeckt. Was ich damit sagen will: Die Molkereien achten verschärft auf die Wertschöpfung, auch der Nebenprodukte, um wirtschaftlich und konkurrenzfähig sein zu können. Zu dieser nachhaltigen Strategie gehört auch, möglichst wenig Wasser und Energie einzusetzen bzw. sie einzusparen. Daher sind Wasserrückgewinnung und Wasserrecycling große Themen. Auch wir in der Forschung bemühen uns, Wasser mehrfach zu verwenden. Zum Beispiel ließe sich Wasser, das man beim letzten Spülschritt in einer Anlage verwendet hat, auch für den nächsten Reinigungszyklus als Spülwasser in der Vorreinigung verwenden.

In Produktionsstätten werden häufig digitalisierte Herstellungsverfahren und Prozesse eingesetzt, um nachhaltiger zu wirtschaften. Wie sieht das in der Milchwirtschaft aus?

Momentan besteht die Digitalisierung in der Milch- und Lebensmittelindustrie vor allem darin, dass die Produktionsanlagen viele Informationen und Daten sammeln: Was tun die Anlagen gerade? Mit welchen Prozessparametern arbeiten sie? Welchen Status haben die Produkte? Die Maschinen sind miteinander verknüpft und lassen sich zentral steuern. Das sind entscheidende Vorteile im Hinblick auf Prozessoptimierung und Qualitätssicherung. Der Einsatz digitaler Prozesse und verfügbarer Daten wird auch in der Produktionsplanung immer wichtiger werden. Einige unserer Lehrveranstaltungen beschäftigen sich mit logistischen Fragestellungen und mit Systemoptimierung unter logistischen Aspekten. Da spielen digitale Datenverarbeitung und Automatisierung eine große Rolle.

Welcher Bereich der Milchverarbeitung hat sich in den letzten Jahrzehnten am stärksten weiterentwickelt?

Der Hygienestatus der Verarbeitung ist wesentlich höher. Das hängt auch damit zusammen, dass es inzwischen größere Betriebsstätten gibt, die viel größere Mengen verarbeiten. Die Milch an sich ist hingegen nicht besser geworden. Die war schon immer sehr gut und ist es immer noch.

Auch pflanzliche Alternativen sind Thema des Studiengangs, wie ist hier der Stand der Forschung?

Da gibt es noch viel zu erforschen. Wir lernen im Moment alle gemeinsam, sowohl die Ausbildungsseite als auch die Wissenschaft und die Unternehmen. Ich kenne fast kein Unternehmen, was sich im Moment nicht mit diesem Thema beschäftigt.

Gilt das auch für Ihre Studierenden?

Die Studierenden, die sich für unseren Studiengang entschieden haben, interessieren sich primär für Milch als Rohstoff. Sie konsumieren aber auch die pflanzlichen Alternativen. Sowohl die Forschung als auch die Studierenden selbst beschäftigen sich also damit. Sie möchten auch dafür ausgebildet werden und vorbereitet sein. Ich selbst habe auch schon pflanzliche Produkte probiert, von Berufswegen, aber auch aus reiner Neugierde.

Neben der praktischen Ausbildung in der Molkerei werden im Studiengang auch die theoretischen Grundlagen vermittelt.

Woher kommt Ihre Leidenschaft für Milch?

Seit meiner Kindheit habe ich Berührungspunkte zu Lebensmittel-Themen. Mein Vater und Großvater betrieben Einzelhandelsgeschäfte. Da waren Lebensmittel bei uns einfach das Thema Nummer eins. Über diesen Weg habe ich das Interesse an der Lebensmitteltechnologie entwickelt und eine Ausbildung in der Molkerei gemacht, bevor ich ein Studium der Lebensmitteltechnologie begonnen habe.

Was fasziniert Sie an der Milch-Technologie?

Mich fasziniert, wie man aus einem Rohstoff mit einfachen Mitteln eine solch breite Palette an Produkten herstellen kann. Das beste Beispiel ist Käse. Es gibt weltweit tausende verschiedene Sorten. Und das, obwohl wir nur wenig Variation zur Verfügung haben, die Einfluss auf das Endergebnis haben: unterschiedliche Temperaturen, die Bearbeitung der Gallerte und des Käsebruches, Mikroorganismen und die Reifezeit. Indem wir diese Parameter beim Herstellungsprozess minimal verändern, bekommen wir jedes Mal ein anderes Ergebnis mit sehr unterschiedlich schmeckenden Produkten.

Welches Milchprodukt mögen Sie am liebsten?

Ich konsumiere persönlich weniger Trinkmilch, dafür regelmäßig Joghurt und Käse sogar ziemlich viel. Käse schmeckt mir in seiner ganzen Vielfalt. Da probiere ich gerne aus – und ich habe zum Glück noch hunderte unbekannte Käsesorten vor mir.