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Schon gewusst?

Faktencheck: Milchkuhhaltung

Kurz und bündig beantworten wir häufig gestellte Fragen rund um die Milch. In diesem Faktencheck schauen wir uns die Kuhhaltung auf Milchhöfen in Deutschland an.

Über die Haltung von Milchkühen

Laufstall, Weidegang oder Anbindehaltung – wie leben Kühe auf deutschen Höfen? In der Nutztierhaltung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel getan. Das Tierwohl hat dabei Priorität, denn die meisten Betriebe sind eine Lebens- und Produktionsgemeinschaft – so auch auf Milchhöfen! Nur wenn die Tiere fit und gesund sind, können die Bauernfamilien ihren Betrieb wirtschaftlich führen.

Aktuell gibt es in Deutschland rund 3,8 Millionen Milchkühe auf rund 51.600 Milchkuhbetrieben.(1) Eine durchschnittliche Herde auf den Höfen zählt 72 Tiere.(2) Kühe sind sehr soziale Tiere, die im Verbund leben und ihren ganz eigenen Charakter haben. Fressen, Ruhepausen für das Wiederkäuen im Liegen, die Fellpflege und der Kontakt zu Artgenossen sowie ihre Rangordnung untereinander bestimmen ihren Rhythmus.

Derzeit sind rund 90 Prozent der Milchkühe in Deutschland in offenen Laufställen untergebracht, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind.(3) Die Kühe können in diesem Haltungssystem selbst entscheiden, wann sie liegen, fressen oder sich bewegen wollen. In vielen Ställen gibt es sogar automatische Melksysteme: Hier kann die Kuh unabhängig vom Landwirt oder der Landwirtin entscheiden, wann sie gemolken werden möchte.

Doch auch wenn es gern als augenscheinliches Kriterium für Tierwohl herangezogen wird, das Haltungssystem spielt mit vielen Faktoren zusammen. Betriebe mit Anbindehaltung können ihre Tiere ebenfalls sehr gut und intensiv pflegen und somit ein hohes Maß an Tierwohl gewährleisten. Dabei gilt natürlich: Auch sie müssen die Regelungen aus dem Tierschutzgesetz erfüllen. Ist dies nicht der Fall, ist das absolut inakzeptabel, jedoch nicht repräsentativ für die gesamte Milchviehhaltung in Deutschland.

Zudem ist die ganzjährige Anbindehaltung zweifellos ein Auslaufmodell. Seit über 30 Jahren werden Anbindeställe nicht mehr gebaut, jeder neu errichtete Stall ist bereits ein moderner Laufstall. Allein in den vergangenen vier Jahren hat sich die Anzahl von Anbindeställen um rund 30 Prozent reduziert. Um diese Entwicklung weiter zu fördern und Landwirt:innen bei der Umstellung zu unterstützen, braucht es gezielte Beratung, finanzielle Unterstützung seitens der Politik und Erleichterungen im Baurecht.

Im Mai 2024 hat die Bundesregierung den Entwurf für die Reform des Tierschutzgesetzes verabschiedet. Dieser beinhaltet auch, dass die Anbindehaltung in spätestens zehn Jahren verboten sein soll. Von dieser Regelung ausgenommen, sind sogenannte Kombibetriebe mit weniger als 50 Rindern. Auf solchen Betrieben verbringen die Tiere den Winter angebunden im Stall und den Sommer im Laufhof oder grasend auf einer Weide. Dabei handelt es sich meist um kleine bis mittlere Familienbetriebe in alpinen Regionen. Sie bewirtschaften oft Grenzstandorte und kleinteilige, ökologisch besonders wertvolle Grünlandflächen. So leisten sie einen aktiven Beitrag zum Klima- und Bodenschutz, aber auch zum Erhalt der Artenvielfalt und der Kulturlandschaft. (4)

Welche Kriterien für die Milchviehhaltung in Deutschland gibt es?

Gesetzliche Vorgaben sehen bislang keine konkreten Standards für die Milchkuhhaltung im Rahmen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vor. (5) Die Akteure der Lebensmittelkette Milch – also Landwirtschaft, Molkereiwirtschaft, Lebensmitteleinzelhandel – haben daher eigene Standards definiert, über die Produkt- und Prozessqualität einerseits und Anforderungen an das Tierwohl andererseits festgelegt werden.

Ein ganz wesentlicher ist der QM-Standard, mit dem bereits über 90 Prozent der deutschen Milchviehbetriebe zertifiziert sind. Er definiert die Mindestanforderungen für eine qualitätsorientierte und tiergerechte Milcherzeugung. Ob die Betriebe den festgelegten Anforderungen auch in der Praxis entsprechen, wird regelmäßig durch Kontrollbesuche überprüft. Berücksichtigt werden Tierwohlkriterien wie eine artgerechte Haltung, die Tiergesundheit und bedarfsgerechte Fütterung, aber auch die Einhaltung von Umweltanforderungen.(6)

Um speziell den Tierschutz und die Tiergesundheit in der Milcherzeugung weiter zu fördern, wurde das QMilch-Programm mit den Zusatzmodulen QM+, QM++ und QM+++ ins Leben gerufen. Sie erweitern den QM-Standard um diverse, tierwohlbezogene Kriterien. Regelmäßige Fortbildungen des Hofteams und die Zusammenarbeit mit externen Beratungsdiensten sind weitere Maßnahmen. Zudem integrieren sie die Milch in die Haltungsformkennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) der „Initiative Tierwohl“. So macht die Milchbranche transparent, was sie in den vergangenen Jahren in Sachen Tierwohl bereits erreicht hat und wie sie sich laufend weiterentwickelt.

Die Zusatzmodule setzen voraus, dass zusätzliche Kriterien für Tierwohl und Tiergesundheit tatsächlich umgesetzt werden. Dabei steigen die Zahlen der mit den Zusatzmodulen zertifizierten Betriebe rasant an. Derzeit sind mehr als 3.500 Betriebe zertifiziert (Stand: August 2024). Laut Schätzungen könnten es Ende des Jahres schon doppelt so viele Betriebe sein. Die Milchbranche nimmt sich der wachsenden Bedeutung von Tierwohl an und entwickelt die Standards laufend weiter.

Warum gibt es Diskussionen um das Tierwohl?

Die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Milchwirtschaft ist ein Prozess. Aktuell werden höhere Standards für die Haltung avisiert. Es liegen unter anderem Empfehlungen aus der ehemaligen Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft vor, an denen Menschen aus der Branche, NGOs und Wissenschafts-Expert:innen gemeinsam gearbeitet haben.(7) Auch der Handel hat Modelle entwickelt. Die Maßnahmen bedeuten für einige Betriebe weitreichende Investitionen, um beispielsweise Flächen zu vergrößern.

In den Um- bzw. Neubau der Milchviehställe haben Landwirt:innen in den vergangenen Jahren deutschlandweit insgesamt zwischen drei und vier Milliarden Euro jährlich investiert. Die für die Zukunft geplanten Anforderungen bedeuten darüber hinaus weitere Investitionen. Die Betriebe stehen zu den höheren Standards, wünschen sich aber auch Planungssicherheit. Über den Milchpreis allein lassen sich die steigenden Kosten bisher nicht kompensieren. Zum Lösen dieser Aufgabe bedarf es daher zunächst einmal gesellschaftlichen Konsens darüber, wie diese gemeinsame Herausforderung gestemmt werden soll.

Weiterführende Informationen

Quellen

  1. Milchindustrieverband: Die Milch im Überblick 2023.

  2. Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL): Milcherzeugung 2022.

  3. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) : Bericht zur Markt- und Versorgungslage mit Milch und Milcherzeugnissen.

  4. Verband der Milcherzeuger Bayern: Definition der Kombinationshaltung

  5. Seit August 2023 gibt es das Gesetz für eine staatliche, verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung. Dieses gibt es aber bis jetzt nur für Schweinefleisch. In Zukunft soll es auf weitere Tierarten ausgeweitet werden.

  6. QM-Milch e.V.: QM-Standard (PDF)

  7. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Machbarkeitsstudie der „Borchert-Komission“.