Verantwortung
Auf dem ErlebnisBauernhof der Internationalen Grünen Woche 2024 ging es im Bühnentalk um Wege in die nachhaltige Zukunft für die Milchwirtschaft.
Ein zentraler Satz daraus: „Wenn von Netto-Null die Rede ist, kommen die Leute immer gleich auf die Emissionen zu sprechen. Aber bei Netto-Null geht es nicht nur darum, die Emissionen zu senken, sondern auch darum, Kohlenstoffsenken anzulegen.“
Die Herausforderungen ähneln sich in Europa. Der Landwirt und Agrarwissenschaftler John Gilliland erzählt aus den Anfängen seiner Arbeit in Irland. Landwirt:innen wussten, dass sie Emissionen haben, aber nicht genau, wo sie in welchem Maß entstehen und wie viel über Böden und Bäume auf ihrem Land gespeichert ist. Sie wollten also ihre Zahlen kennen, um fundierte Entscheidungen über Maßnahmen zu treffen, die zu individuellen Anforderungen eines Betriebs passen. Diese müssen wirksam sein und dazu wirtschaftlich. Einer der wichtigsten Punkte darüber hinaus: der Blick auf das gesamte System und die Biodiversität. Mit diesen Voraussetzungen startete ein wissenschaftlich gestütztes Programm, das Messdaten sammelt, evaluiert und mit den Landwirt:innen teilt.
Prof. John Gilliland
Ähnlich wie in Irland arbeitet die Branche auch in Deutschland daran, Emissionen zu erkennen und zu reduzieren. Dazu gibt es eine Reihe von Programmen, die Molkereien und landwirtschaftliche Betriebe gemeinsam umsetzen oder in Pilotprojekten entwickeln – bspw. NetZero-, LowCarbon- oder Climate-Farms, Konzepte für erneuerbare Energie und Treibstoffe, Wertstoffmanagement uvm. Ein großer Teil der Branche arbeitet außerdem in einem Netzwerkprojekt: 2017 hat das QM-Nachhaltigkeitsmodul in Zusammenarbeit mit dem Thünen Institut die Arbeit aufgenommen. Rund 18.000 Milchhöfe sind an diesem Programm heute beteiligt, sammeln Daten zu Umwelt-, ökonomischen und sozialen Aspekten sowie Tierwohl. Molkereien unterstützen das Programm. Elisa Münster berichtet über diesen ganzheitlichen und systematischen Blick auf Produktion und Verarbeitung.
Elisa Münster
Auch aus Sicht von Dr. Federico Dragoni sagt die Größe eines einzelnen Bauernhofs am Ende nicht genug aus. Vielmehr gehe es um die Vernetzung mit der Umwelt. „Die Vielfalt des Anbausystems ist ein großartiges Instrument, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Hier liegen die Wurzeln für eine Strategie der Kreislaufwirtschaft. Und warum? Weil so Überschüsse aus einem sehr spezialisierten System auf verschiedene Kulturen umverteilt werden können.“ Hier geht der Blick nicht nur auf den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auf das Netzwerk mit anderen Betrieben und anderen Teilen der Lebensmittelproduktion, um Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Ein Pool von Betrieben, die zusammenarbeiten und miteinander interagieren.
Dr. Federico Dragoni
Zusammenfassend geht es für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem und aktiven Klimaschutz in der Land- und Milchwirtschaft wie überall um die Nutzung erneuerbarer Energien und Kraftstoffe. Darüber hinaus zählen die vielfältigen Synergien zwischen Ackerbau und Tierhaltung: die vollständige Verwertung pflanzlicher Rohstoffe als Teil des Tierfutters, der Aufbau von natürlichem Dünger und die schlussendliche Verwertung als Biogas. Am Ende eine Arbeitsweise, die zurückliegende Generationen schon kannten, die jetzt aber weit über einzelne Betriebe oder Regionen hinaus gestaltet werden will.
Prof. Dr. Jan Grenz, Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, Fachbereich Agronomie konnte reisebedingt leider nicht an der Podiumsdiskussion teilnehmen. Sein Bericht zum Projekt KlimaStar ist auf YouTube hinterlegt.
Teilnehmer:innen der Panel-Diskussion: Elisa Münster, Milchbäuerin und Nachhaltigkeits- und Tierwohlexpertin, QM-Milch e. V., Prof. John Gilliland, Professor für Landwirtschaft und Nachhaltigkeit an der Queen’s University Belfast, Berater für das Agriculture and Horticulture Development Board (AHDB) in Großbritannien, Dr. Federico Dragoni, Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) Potsdam.
Gastgeber des Bühnentalks im Januar 2024 war die Initiative Milch zusammen mit Partnerorganisationen des European Milk Forum (EMF).
Mehr Information über Nachhaltigkeitsprogramme und die praktische Umsetzung auf verschiedenen Höfen finden Sie hier.